Eine Liebe wie Magie
passieren.«
Sie drehte sich um, bevor Charlotte protestieren konnte, drängte durch die Menge bis zur Tür — und entkam. Noah nahm sich zwei Gläser Limonade vom Erfrischungstisch und machte sich auf den Rückweg zu Augusta. Doch sie war weg. Verschwunden. Er ging um die Ecke des Getränketisches und stieß beinahe mit Eleanor Wycliffe zusammen, Christians Schwester. Neben ihr stand Sarah. Beide Frauen sahen ihn an.
»Eleanor. Sarah. Ich wußte nicht, daß ihr vorhattet, heute abend in die Versammlungsräume zu kommen.«
Eleanor schien verunsichert. »Du meinst, Christian hat es dir nicht gesagt?«
»Nein, hat er nicht.« Tatsächlich, dachte Noah bei sich, hatte Christian, während sie einige Partien Whist gespielt hatten, nichts davon erwähnt.
»Nun ja, ich dachte, es würde Sarah guttun, wenn sie mal wieder unter Menschen käme. Die Isolation kann erholsam sein, aber allzuviel davon erweist sich manchmal auch als ungesund.«
»Sehr wahr«, sagte Noah und gab die Gläser mit Limonade Eleanor, so daß er Sarahs Hand nehmen konnte. Er küßte sie leicht. »Jedes Mal, wenn ich dich sehe, siehst du besser aus«, sagte er.
Sarah errötete über dem züchtigen Ausschnitt ihres schwarzen Bombasinkleides. »Danke, Noah. Ich hatte gehofft, daß du heute abend auch hier wärst. Ich weiß, daß ich nicht tanzen kann, solange ich noch um Tony trauere, aber ich hatte so sehr gehofft, daß wir wenigstens die Möglichkeit hätten, uns hin und wieder zu besuchen. Ich habe dich in letzter Zeit kaum gesehen.«
Ein tiefes Schuldgefühl erfaßte Noah, sowohl wegen ihrer Worte als auch wegen des Blickes der Einsamkeit, der aus ihren sanften blauen Augen schimmerte. Er war so damit beschäftigt gewesen, Lady Augustas Identität aulzudecken und dahinterzukommen, was sie für ein Mensch ist, daß er Sarah vernachlässigt hatte. Er mußte sich vornehmen, Sarah regelmäßig einmal pro Woche zu besuchen, damit sie sich in ihrer neuen Welt nicht so im Stich gelassen und alleine fühlte. Eleanor hatte recht. Sarah hatte viel zuviel Zeit hinter verschlossenen Türen verbracht, isoliert vom Rest der Welt. »Was würden die beiden Damen denn davon halten, wenn wir morgen zusammen die Rotten Row entlangführen?« fragte er, nur um
irgend etwas zu sagen, was die Dunkelheit aus ihren Augen vertreiben könnte.
Sarahs Gesicht hellte sich sofort auf. »Liebend gerne.« Sie stockte. »Aber ziemt es sich auch?«
»Aber natürlich«, mischte sich Eleanor ein. »Ich werde sogar Christian überreden mitzukommen, und wir können daraus ein Picknick machen. Ich werde den Koch bitten, uns einen Korb zu packen. Was für eine großartige Idee!«
Kapitel 13
Wenn es möglich wäre, sich tatsächlich zu Tode zu langweilen, so war Augusta jetzt kurz davor, ihr Leben auszuhauchen. Sie saß im Morgensalon auf der sonnigen Ostseite des Stadthauses von Lady Finsminster am Cavendish Square auf einem Stuhl, der mit Sicherheit ursprünglich als Folterinstrument gedacht war. Auf diesem Stuhl hatte sie die letzte Stunde damit zugebracht, sich eingehend mit dem verschlungenen Muster zu befassen, das den Rand ihres Teeservices verzierte. In der Stunde davor hatte sie sich die Sequenz der Putten eingeprägt, die sich frohlockend auf der geschnitzten Holztäfelung zeigten. Sie war überzeugt, daß sie sich über sie lustig machten, obwohl es genausogut sein konnte, daß der überwältigend süße Geruch, der aus dem silbernen Räuchergefäß der Gräfin aufstieg, sie irgendwie benebelte.
Da sie kein anderes Amüsement hatte, sann sie über die Lage der übriggebliebenen Teeblätter auf dem Boden ihrer Tasse nach und überlegte, was sie über ihre Zukunft Voraussagen könnten. Auf der anderen Seite des Raumes waren Charlotte und ihre Bekannten aufgeregt in endloses Geschnatter über Muster, und Stoffe und Frisuren und jedes andere Thema weiblichen Interesses vertieft —Themen, für die Augusta absolut nichts übrig hatte.
Anwesend an diesem schönen Morgen waren, natürlich, die Gräfin Finsminster und ihre Tochter, Lady Viviana Finsminster — oder »Bibi«, wie ihre Mutter sie beharrlich zu nennen pflegte, ein Name, durch den man kurioserweise das karotten-rote Haar und die Sommersprossen des Mädchens erst richtig bemerkte. Sie trugen beide exakt die gleichen lindgrünen Kleider aus Seidentaft und besetzten den unteren Teil des abgerundeten türkischen Diwans, der die Mitte des Raumes ausfüllte. Zu ihrer Rechten saßen die Gräfin Trussington in
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