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Eine Liebesehe

Titel: Eine Liebesehe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pearl S. Buck
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Kinder gewesen.
    »Ich hoffe von ganzem Herzen, daß du glücklich werden wirst, Elise.«
    »Du kannst es kaum so sehr hoffen wie ich«, versetzte sie. Die Überraschung machte ihn verlegen. »Weißt du nicht … bist du nicht … du begehst doch keine Dummheit, Elise?«
    »Ich weiß nicht, was du damit meinst«, entgegnete sie. Sie lehnte sich an das Schaufenster, steckte die Hände in ihren schwarzen Muff und blickte ihn an. »Mädchen müssen heiraten, verstehst du. Wir wissen nie zum voraus, ob wir glücklich werden. Wir warten ab und stellen es dann fest.«
    Er hatte sie so selten ganz und gar ernst gesehen, daß er verwirrt wurde. »Dann … hoffe ich es ganz besonders«, sagte er.
    »Danke.«
    Sie streckte ihre kleine, behandschuhte Hand aus, und er ergriff sie einen Augenblick und drückte sie; sie wollte noch mehr sagen und wußte doch, daß es nichts zu sagen gab.
    Sie entzog ihm schnell ihre Hand, nickte und ging von dannen. Er schaute ihrer anmutigen Gestalt nach. Sie hielt die Schultern, als wären sie Flügel, und trug den Kopf hoch. Er fühlte seine Gereiztheit schwinden und war plötzlich näher denn je daran, sie zu lieben. Sie war seiner Gattung und entstammte seiner Welt. Sie ähnelten einander in vielem.
    Er bezähmte seinen Wunsch, ihr nachzulaufen. Denn wenn er sie überredete, wozu würde er sie dann überreden? Er wünschte niemanden zu überreden.
    So kehrte er in seine Wohnung zurück, und dort saß er lange Zeit vor Ruths Bild, verglich sie mit Elise, die Augen, die Lippen und alle Unterschiede, die zwischen ihnen bestanden, und von beiden wählte er Ruth. Er wählte sie wegen ihrer Offenheit und Schlichtheit. Ihr Schweigen verbarg keine Herausforderung, und wenn sie sprach, konnte er ihre Worte als das hinnehmen, was sie waren, und nicht als das, was sie ungesagt ließen. Er wollte immerdar frei sein.
    ›Sie soll bewahrt bleiben‹, dachte er zärtlich.
    Und er gelangte dazu, sie als einen holden und geheimen Besitz zu betrachten, eine Schönheit, von der außer ihm niemand etwas wußte.
    Im Frühling wurde es ihm möglich, seine Sehnsucht zu widerstehen. Ruth lebte, und er konnte zu ihr gehen.
    Er ging im Mai hin, ohne erst vorher heimzufahren oder jemandem zu sagen, daß er die Stadt verlassen würde. Er betete zu den Göttern, an die er glaubte, daß sie allein sein möge, wenn er zu ihr kam, vielleicht in der Küche, so daß er sein Bild lebendig werden sehen konnte. Das Gebet nahm leidenschaftliche Formen an, als er sich, allerdings ohne seine Malsachen, dem Haus näherte. Diesmal war er nicht gekommen, um zu malen. Er war gekommen, sie zu finden.
    Er hatte es so eingerichtet, daß er mitten am Nachmittag erschien, weil er sich erinnerte, daß sie zu dieser Stunde am ehesten müßig ging. Klopfenden Herzens trat er zur Küchentür. Die Tür stand offen, und er spähte hinein. Sie war nicht da, niemand war da. Sein Herz sank so jählings, daß er sich schwach fühlte. In der Küche herrschten Ruhe und Sauberkeit, und er spürte irgendwie, daß sie den Raum erst vor wenigen Minuten verlassen hatte. Seine Sinne, die immer allzusehr witterten, merkten noch ihre Nähe. Er setzte sich, um zu warten, erfüllt von der Hoffnung, daß sie hereinkommen möchte, nicht ihr Vater oder ihre Mutter. Doch wußte er, daß es besser wäre, wenn die Eltern zuerst kommen würden, um ihn an ihr Vorhandensein zu gemahnen. Denn er fürchtete sich jetzt wegen der Stärke und Standhaftigkeit seiner Sehnsucht, und immer noch wollte er in seinem Kommen keinen anderen Zweck erkennen als einfach die Tatsache, daß er Ruth einmal wiederzusehen wünschte. Wie würde sie ihm nach einer winterlangen Trennung erscheinen, nach einem Winter unter ganz anderen Menschen?
    Er sah sich in dem einfachen Raum um. Alles war genau wie früher, nur der Tisch, an dem er Ruth gemalt und der früher immer neben dem Kamin stand, befand sich jetzt am Fenster, wohin er ihn gerückt hatte. Er war leer, die Platte blank geputzt und alt vom Gebrauch. Während er sich umblickte, empfand er ein merkwürdiges Gefühl der Heimkehr, als ob er in diesem Hause geboren wäre und hier als Kind gelebt hätte. Die volle, reiche Stille, das schwache Ticken der Standuhr in der Ecke, der Sonnenschein, der durch die Türe hereinfiel, der glänzende Kessel auf dem Herd, die abgenutzten Stühle, die kleinen aufgehängten Topflappen – an all das glaubte er sich aus der Kindheit zu erinnern. Er hätte sich kaum eine Stätte vorstellen können, die

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