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Eine Liebesehe

Titel: Eine Liebesehe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pearl S. Buck
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er kommt.«
    Sie hatte sie dazu erzogen, daß das Wort ›Vater‹ letzten Zwang bedeutete. William, der den Kindern nie Befehle erteilte, beherrschte sie alle durch Ruth. Sie liebten ihn und sehnten sich danach, in seiner Nähe zu weilen, aber Ruth hatte ihn von den Kindern ferngehalten. »Vater kann den Lärm nicht ertragen«, sagte sie. »Vater will nicht, daß ihr großen Mädchen barfuß lauft. Vater will, daß du einmal ein fleißiger, brauchbarer Mensch wirst«, sagte sie zu Hal. Keins der Kinder hatte solche Reden jemals vom Vater gehört, aber sie glaubten ihr, und ihre Liebe zum Vater wurde von Furcht beschattet. Denn sie gehörten, das empfand jedes Kind, ihrer Mutter. Sie waren von ihr geschaffen. Sie sprachen wie sie, und sie nahmen ihre Umgangsformen an, nie die des Vaters. Dies taten sie, ohne sich dessen bewußt zu sein, und wenn ihnen aus irgendeinem Grunde ein Vorwurf gemacht worden wäre, hätten sie erstaunt entgegnet: »Aber niemand spricht wie Vater. Er spricht wie ein Mensch in einem Buch. Wenn man wie Mutter redet, redet man richtig.«
    So schien ihnen auch die herzhafte Art und Weise, wie sie aßen, die einzig richtige. Die Mutter nahm den Hühnerknochen in die Hand und knabberte ihn ab, und sie taten es auch. Keins von ihnen schnitt wie der Vater das Fleisch mit dem Messer ab. Wie Ruth tranken sie Milch und nicht den fremdländischen Wein, den der Vater im kühlen Keller aufbewahrte. Sogar Hal kostete nicht im geheimen des Vaters Wein, und ebensowenig fiel es William ein, ihm davon anzubieten. Er teilte ihr Leben überhaupt nicht, das fühlten die Kinder, ohne es sagen zu können. Sie lebten ganz mit der Mutter. Sie liebten ihn zärtlich, auf zurückhaltende Art, wie etwas Kostbares und Feines, das sie jedoch nicht zu benutzen verstanden. Und ohne es zu wissen, vergrößerte William durch seine Verschiedenheit den Abstand zwischen sich und seinen Kindern. Obwohl sie die Mutter in allem Tun nachahmten, ersahen sie Williams Verschiedenheit aus seinem Benehmen bei Tisch, seiner persönlichen Sauberkeit, seiner Sprechweise. Seine Feinfühligkeit verbot ihm, sie zu tadeln, weil er befürchtete, daß es dann schien, als ob er Ruth herabsetzte. Denn er hatte so oft zu sich gesagt: »Ich will Ruth nicht anders haben; sie ist genau das, was ich mir wünsche«, daß es nun seine Lebensgewohnheit geworden war.
    Einmal fragte Mary: »Was ist Papa eigentlich von Beruf?«
    »Er ist Maler, das weißt du doch«, gab Ruth zur Antwort. »Und nenn ihn nicht Papa, auch mir gegenüber nicht. Er mag es nicht.«
    »Ist das denn ein Beruf?«
    »Natürlich«, erwiderte Ruth.
    Aber im tiefsten Innern wünschte Ruth oft, daß William einen richtigen Beruf hätte, wie sie sich ausdrückte, daß er Bauer wäre wie Henry Fasthauser oder wie Tom eine Garage führte. Tom war gescheit genug gewesen, den Pferdestall zu kaufen, die Pferde zu veräußern und eine der ersten Garagen zu eröffnen. Jeder Mensch würde bald ein Auto besitzen, sagte er. Tom verdiente recht gut. Aber das Bildermalen bedeutete keine sichere Einnahmequelle. Auch wenn William vier oder fünf Bilder im Jahr verkaufte, blieb ihr die Unsicherheit des Gelderwerbs verhaßt.
    ›Ich hätte lieber jede Woche jahrein, jahraus regelmäßig fünfzehn Dollar weniger als ganz plötzlich zweihundert Dollar‹, dachte sie oftmals.
    Sie beobachtete ihre Kinder scharf, ob sie etwa auch Freude am Malen hätten, und sie war entschlossen, einem solchen Interesse, das sie bei William als unvermeidlich gelten ließ, leidenschaftlich entgegenzuwirken. Aber sie bemerkte keinerlei Anzeichen.
    William kam zum Essen heim und trat mit seiner unveränderlich guten Laune durch die Türe. Ruth hielt das Haus immer sauber, warm im Winter, kühl im Sommer. Er hatte in dem Bauernhaus so viele Änderungen vorgenommen, daß es jetzt ebenso sein Heim wie auch Ruths schien. Natürlich hatte zu Lebzeiten der Alten nichts geändert werden dürfen. William hatte viele Stunden mit Pläneschmieden verbracht, während er Harnsbarger zuhörte, der immer wieder die gleichen Geschichten aus seiner Kindheit erzählte. Eines Tages wollte er die alten, roh zugehauenen Deckenbalken entfernen, wollte Wände einreißen und die Räume vergrößern, wollte die alten Ziegel wieder in den Fußboden des Eßzimmers setzen. Jahrelang hatte es ausgesehen, als ob Harnsbarger seine Frau, die an Wassersucht gestorben war, ewig überleben würde. Doch dann hatte man aus dem Weg jenseits des Rasens eine neue

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