Eine Liebesehe
kommt, während du dich wäschst.«
»Das kümmert mich keinen Deut«, versetzte er vergnügt. »Wer hereinkommt, kann sehen, was er sehen kann – mir ist's gleich.«
William, für den der Samstagabend sich von keinem andern Abend unterschied, gewöhnte sich allmählich daran, den muskelstarken alten Mann nackt in seiner Wanne zu sehen. Einmal blieb er stehen, gebannt von einer gewissen Schönheit des Anblicks: ein alter Mann, der sich wusch.
»Du wärest ein gutes Modell, wie du jetzt bist«, erklärte er.
Aber der Alte warf die hausgemachte Seife nach ihm. Sein ganzes Schicklichkeitsgefühl wurde wieder lebendig.
»Mach, daß du fortkommst mit deinem Gerede!« schnauzte er. »Ich lasse mich nicht nackt aufhängen und von allen Leuten anstarren, was denkst du wohl!«
William war lachend hinausgegangen, aber es reute ihn immer noch. Er bedauerte es stets, wenn ein Bild seinem Pinsel entschlüpfte. Er malte den alten Harnsbarger ein halbdutzendmal, doch immer dachte er dann an die ihm verweigerte Pose, und er erinnerte sich, wie schön das Wasser und der Feuerschein auf dem Greisenkörper gespielt hatten.
Jetzt pfiff er leise vor sich hin, während er sich die Hände wusch. Er war angenehm müde, sehr hungrig und beinahe zufrieden mit seiner Vormittagsarbeit. Bis zu einem gewissen Grade war er daran gewöhnt, mit seiner Arbeit nur beinahe zufrieden zu sein. Warum er nie das Maß der Vollkommenheit ganz zu erfüllen vermochte, wußte er nicht recht.
Nachdem er sich gewaschen hatte, begab er sich in sein Zimmer, ließ sich in dem großen Sessel am Fenster nieder und zog seine Pfeife hervor. Es lag nicht daran, daß er es vermieden hätte, seinen eigenen Gemütszustand zu erforschen. Immer wieder hatte er tief in seinem Innern geschürft. Konnte er sicher sein, daß seine Leistungen gut waren, oder konnte er es nicht? Manchmal hatte er daran gedacht, mit seinem Vater darüber zu sprechen. Nie mehr war die Rede davon gewesen, daß eins seiner Bilder in dem großen Hause seiner Eltern aufgehängt werden sollte.
Aber diese Tatsache gab ihm keinen Aufschluß über sich selbst. Auch wenn er mit seinem Vater allein war, erhob sich zwischen ihnen gleich einem Berge die Mißbilligung seiner Mutter – zudem ein stummer Tadel von Seiten des Vaters –, die sich um so stärker und schwieriger auswirkte, als die Mutter es vorzog, kein Wort zu äußern. Hätte er bessere Kritiken bekommen, größere Aufträge erhalten und mit seinen Bildern mehr verdient, so wäre er seiner selbst sicher geworden. Aber er hatte sich dazu entschlossen, hier mit Ruth zu leben, weit entfernt von den Orten, wo Bilder gut bezahlt und Aufträge erteilt wurden. Und er war zynisch genug, um sich darüber klar zu sein, daß die Maler ebensowenig wie andere Künstler um ihrer Vortrefflichkeit willen gute Kritiken und Aufträge erhielten. Nein, zu der Vortrefflichkeit mußten sich Einfluß und Schmeichelei gesellen.
Nun ja, dachte er brüsk, all dem war er aus dem Wege gegangen. Er sehnte sich ja auch nicht nach einem solchen Lohn, sondern er wollte nur unbedingt über die Güte seiner Arbeiten Bescheid wissen. Taugten sie etwas? Hätten sie besser sein können?
Nie sprach er im stillen die Frage aus: Hätten seine Arbeiten besser sein können, wenn er Ruth nicht geheiratet hätte? – denn ein Leben ohne Ruth dünkte ihn unvorstellbar. Und wenn er in New York geblieben wäre, was hätte er dann malen können? Bestimmt keine Landschaften! Vor seinem Wegzug hatte er an einem Akt gearbeitet. Er hatte das Bild nie vollendet, weil er plötzlich merkte, wie es Ruth zumute war, als sie ihm Modell stand.
»Stell dich in die Sonne«, hatte er an jenem Morgen zu ihr gesagt. »Laß mich sehen, wie die Sonne durch dein Fleisch schimmert.«
Sie stellte sich in das lange Lichtband, das durch ein Ostfenster hereinfiel, und bemühte sich, nichts dagegen zu haben. Sie war ja mit ihm verheiratet. Zwischen ihr und William konnte es nichts Böses geben, nicht wahr? Es war nicht schlecht von ihr, sich vor ihm bei Tageslicht ganz auszuziehen, solange die Türen verschlossen waren, nicht wahr?
»So ist's recht«, sagte er eifrig. »Genau das möchte ich. Nun mußt du so tun, als ob der Sonnenschein ein Mantel wäre. Tu so, als ob du dich damit umhüllst.«
Sie gehorchte wieder, streckte die Arme aus, als ob sie Falte um Falte eines glitzernden Spinnwebstoffes heranzöge.
»Der silberne Mantel!« murmelte er. »Der Mantel aus Licht …«
Er begann wild zu
Weitere Kostenlose Bücher