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Eine Liebesehe

Titel: Eine Liebesehe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pearl S. Buck
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sprach sie zu ihm. So erwehrte sie sich im Frühsommer seiner, als er sich ihr näherte. Diese Abwehr tat sich nicht in Worten, sondern in ihrem Schweigen kund. Sie zog sich von ihm zurück. Stundenlang saß sie ihm Modell, passiv, als wüßte sie nicht, wo sie sich befand, und es dünkte ihn, während er malte, er arbeite nicht nach einem lebenden Modell, sondern kopiere ein Bild.
    Er rief ihr eines Tages zu: »Ruth, komm zurück!«
    Sie rührte sich nicht in ihrer Stellung; die Hände hielt sie im Schoß gefaltet, aber in ihre leeren blauen Augen kehrte etwas zurück.
    »Wo warst du?« fragte er.
    Sie antwortete nicht; er legte Pinsel und Palette hin, ging zu ihr hinüber und nahm sie in die Arme.
    »Du bist nicht glücklich«, sagte er.
    »Doch«, entgegnete sie. »Wenigstens wäre ich nirgendwo glücklich, wenn du nicht bei mir wärst.«
    »Wo wärest du mit mir am glücklichsten?« erkundigte er sich liebevoll.
    »Oh, daheim!« rief sie.
    Und da entdeckte er, daß sie die Stadt und diese Räume und ihr ganzes Leben hier haßte. Sie haßte all die Menschen, die er ins Haus brachte, und die Menschen, die sie auf der Straße sah. Jetzt begriff er ihre Fremdheit, wenn jemand ins Haus kam. Er hatte gedacht, sie sei nur befangen, und hatte ihr zugeredet.
    »Es sind meine Freunde, Ruth, und darum sind es auch deine.«
    »Nein, nicht meine«, hatte sie mit großen Augen erwidert.
    »Du fürchtest dich«, hatte er sie ein anderes Mal beschuldigt.
    »Sie sind mir fremd«, hatte sie gesagt.
    Nun wußte er, daß Ruth sie haßte, einfach und triebhaft, weil sie ein Teil der Stadt waren. All die durchlebten Tage und Nächte hatte sie aus wachsendem Haß gelebt.
    »Ich kann hier kaum atmen«, flüsterte sie. »Hier ist keine Luft.«
    »Unzählige Menschen atmen hier«, versetzte er.
    »Das ist es ja«, sagte sie und hob beunruhigt den Kopf. »Die ganze Luft ist verbraucht. Ich bin an Luft gewöhnt, die rein von den Bergen kommt. Außerdem hasse ich ja gerade die Menschen.«
    »Aber Ruth, niemand hat dir Haß entgegengebracht!«
    Zu den Dingen, die er an New York liebenswert fand, gehörte die Tatsache, daß man hier bei aller Ausdehnung und Beschäftigung in jedem Fahrzeug, in jedem Laden mit dem gewöhnlichen Volk sprechen konnte.
    »Ich hasse sie alle«, sagte sie eigensinnig.
    »Warum denn?« fragte er sie.
    »Sie sind anders als ich«, erklärte sie.
    Diesem umfassenden, weichen Eigensinn stand er ganz und gar hilflos gegenüber. Er beruhte auf ihrer Triebhaftigkeit, die keine Vernunft erhellte, und angesichts dessen war er wie ein Mann, der sich in einer dunklen, stillen Nacht verirrt hat und nirgends ein Licht sieht, das ihn führen könnte.
    »Aber Ruth, du hast mir davon nie etwas gesagt«, warf er ihr vor.
    »Weil du … weil du gern hier bist«, stammelte sie.
    Ihr Kopf ruhte wieder an seiner Brust; er blickte auf ihre feuchten dunklen Wimpern nieder, und er erkannte, daß auch sie ihrem Trieb hilflos gegenüberstand.
    »Ich mag keinen Ort, an dem du nicht glücklich bist«, sagte er.
    »Doch – du redest ja dauernd davon, wie schön New York ist«, erwiderte sie. Und sie begann zu schluchzen: »Aber ich finde es gräßlich. Es ist … es ist, als ob alle dicht zusammen auf dem Grunde eines Brunnens leben. Oben ist nur ein kleiner Streifen Himmel. Ich bin an den ganzen Himmel gewöhnt.«
    Schweigend saß er und hielt sie an seiner Schulter. Es stimmte, daß er in diesen Monaten die Schönheit der Stadt immer mehr wahrgenommen hatte, und deshalb hatte er Ruths Haß bekämpft. Er wies sie fortwährend auf die Schönheit hin, die er sah, auf die aufstrebenden Linien der Gebäude, den Fluß, den glatten, geschmeidig flutenden Straßenverkehr, die Märkte und die vielsprachigen Menschen. Mit jedem Tage fühlte er jetzt in sich einen zitternden Ansturm wachsender Tatkraft. Er trat endlich aus sich selbst und aus der Begrenztheit, die sogar die Liebe hatte, hinaus.
    Sie aber hatte ihn zuerst geführt. Bis zu dem Tage, an dem er Ruth gefunden, war er in sich selbst abgeschlossen gewesen. Sie hatte ihn befreit, sie hatte ihn gezwungen, sein Elternhaus zu verlassen und das Leben für sie und für sich zu beginnen. Und nachdem er diese Flucht bewerkstelligt hatte, war er nun stark genug, sogar ihr wiederum zu entrinnen. Nicht daß er sie jemals verlassen oder sie nicht mehr lieben wollte. Das konnte er nicht. Aber er wußte, daß er eines Tages damit aufhören würde, nur sie zu malen; dann ging er hinaus und suchte sich

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