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Eine Liebesehe

Titel: Eine Liebesehe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pearl S. Buck
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hing. Ja, da saß er mit dem Rücken zur Türe; die behandschuhten Hände hielt er über dem Silberknauf seines Spazierstocks gefaltet, und sein weißes Haupt war erhoben. William näherte sich ihm leise. »Hallo, Vater … guten Tag!«
    Der alte Barton schrak zusammen und erhob sich halb, dann setzte er sich wieder, ehe er antwortete.
    »Oh, da bist du ja«, sagte er.
    »Ja, Vater«, erwiderte William freundlich.
    Der Vater sah müde aus, fand er. Dann fiel ihm ein, daß er um diese Jahreszeit, bevor er nach Bar Harbor ging, gewöhnlich müde aussah.
    »Geht es dir gut?« erkundigte er sich.
    »Mir?« Der Vater machte ein erstauntes Gesicht. »Gewiß.«
    »Und Mutter?«
    »Es geht uns ungefähr wie immer«, sagte Barton milde. Er musterte seinen Sohn sorgsam. »Du scheinst bei guter Gesundheit zu sein«, bemerkte er.
    William lächelte. »Es geht mir ausgezeichnet.«
    »Hast du Louise gesehen?«
    »Nein.«
    Barton wies mit dem Kinn auf ein Bild. »Deine Frau?«
    »Ja.«
    William trat neben den Alten und stand dort, und beide betrachteten sie Ruths frisches, hübsches Gesicht. Er hatte sie in einem ihrer scheuen Augenblicke eingefangen. Das lag daran, daß sie ihm, obwohl er nur ihren Kopf gemalt hatte, im Morgenlicht Akt gesessen hatte.
    »Sie sieht sehr jung aus«, sagte Barton.
    »Sie ist erst zwanzig.« Und dann fuhr William fort, weil er sich einbildete, daß die blassen Lippen seines Vaters weicher wurden: »Ich wünschte, du würdest mit mir heimkommen, Vater.«
    »Heim?« Der Ausdruck des Vaters war unbestimmt.
    »Ich meine, zu uns nach Hause.«
    »Oh!« Der alte Barton begriff. »Nun ja, aber ich habe nicht viel Zeit.«
    »Bitte, Vater! Es ist nicht weit. Mir liegt so viel daran.«
    Es endete damit, daß sie in eine Droschke stiegen und zu Williams Wohnung fuhren. Da es auf den Mittag zuging, kochte Ruth gerade auf dem kleinen Gasherd das Essen. Beim Geräusch der Türe kam sie heraus, dann stand sie regungslos wie ein Kind vor einem Fremden.
    »Ruth, das ist mein Vater.«
    Er wunderte sich über ihre Verwandlung. Das Licht verschwand von ihrem Antlitz. Linkisch streckte sie die Hand aus.
    »Freut mich, Sie kennenzulernen«, murmelte sie, und ihre Hand ruhte schwer in der zarten des Alten.
    William beeilte sich, den Empfang zu verbessern. »Komm herein und setz dich. Magst du mit uns essen, Vater? Bestimmt hat Ruth etwas Gutes. Sie kocht ausgezeichnet.«
    Er drängte sie hinein und übersah Ruths entsetzten Blick wegen der Einladung zum Essen. Sein Vater bemerkte ihn wohl, und hastig antwortete er darauf.
    »Ich kann nicht bleiben, William. Mutter und Louise erwarten mich um ein Uhr im Restaurant Sherry. Ich glaube. Monty bringt jemand von Wall Street, der sich beteiligen soll. Eisenbahnen sind nicht mehr dasselbe wie früher, William.«
    »Das tut mir leid«, gab William zurück.
    »Diese Automobile sind schuld daran«, sagte Barton. Dann setzte er sich – er machte einen sehr kostbaren und zerbrechlichen Eindruck – und sprach freundlich mit Ruth.
    »William muß einmal mit dir zu uns kommen, meine Liebe, wenn wir im Herbst wieder in der Stadt sind.«
    Ruth konnte nicht antworten. Sie richtete die flehenden Augen auf William.
    »Das würde dir Freude machen, nicht wahr, Herzchen?« sagte er, um sie zu ermutigen, und sie nickte.
    Barton blieb nur ein paar Minuten. Eigentlich hatte es nicht viel bedeutet. Der Vater hatte in seiner höflichen Freundlichkeit nichts enthüllt, und Ruth hatte nichts geäußert außer ihrem matten »Auf Wiedersehn«.
    »Warum hast du nichts gesagt?« fragte er sie, nachdem die Türe geschlossen war.
    »Oh, William, ich konnte nicht!« Das Leben strömte in ihre blauen Augen zurück und färbte wieder ihre Wangen.
    »Aber warum denn nicht, Gänschen?«
    »Ich hab' noch nie so einen Menschen gesehn!«
    »Er ist mein Vater, Ruth. Du hättest doch einen Versuch machen können.«
    »Es ist mir gar nichts eingefallen, William. Ich hab's versucht, wirklich!«
    »Nun, nun, du mußt nicht weinen. Was gibt's zu essen?«
    »Hammelbraten.«
    »Dann wollen wir anfangen.«
    Sie hatten fast schweigend gegessen, und es hatte einige Tage gedauert, bis er den Vorfall vergessen konnte. Doch dann vergaß er ihn, weil er sah, wie sie in der plötzlich einsetzenden Hitze eines Junisonntags den Kopf hängen ließ Sie saß am offenen Fenster und blickte nicht hinaus, und ihr blasses Antlitz rührte sein Herz.
    »Liebes, wir brauchen etwas Zerstreuung. Ich werde dich nach Coney Island

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