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Eine Liebesehe

Titel: Eine Liebesehe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pearl S. Buck
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der Bibliothek bereit.«
    »Dann will ich dort warten.«
    Aber er tat es nicht. Unterwegs bog er in den Gang ein, der zu der Gemäldegalerie seines Vaters führte, und schritt von Bild zu Bild. Hier hingen, wie er wußte, zweihundert Bilder, nie mehr, nie weniger. Wenn sein Vater ein Bild fand, das schöner war als alle, die er besaß, so nahm er eins von diesen Wänden herunter und hängte es in dem Kunstmuseum auf, das er für die Stadt errichtet hatte. Nach seinem Tode sollten alle Bilder in das Museum kommen. Das hatte er jedermann gegenüber klargestellt, mit der Bemerkung, daß es wegen seiner Bilder keine Geschichten geben solle.
    William ging langsam an den Wänden entlang und betrachtete ein vertrautes Gemälde nach dem andern. Es war kein neues da. Er fragte sich, ob vielleicht sein Bild, das der Vater gekauft hatte, hier hing. Gleichzeitig gestand er sich aber die Torheit seiner Frage ein. Als kein Zweifel mehr darüber bestand, daß es nicht hier war, fühlte er sich kaum enttäuscht, weil er nichts anderes erwartet hatte. Doch weil es nicht da war, empfand er, zwar unvernünftigerweise, eine törichte Verletztheit, und er faßte den Entschluß, daß eines Tages ein Bild von ihm in dieser Gesellschaft hängen sollte.
    Gefestigt durch die Härte, die sein verletzter Stolz ihm vermittelte, verließ er die Galerie und betrat hocherhobenen Hauptes die Bibliothek, wo er seine Eltern antraf, die auf ihn warteten.
    »Da bist du ja, William«, sagte die Mutter.
    Sie streckte die Hand aus und hielt ihm die Wange zum Kuß hin. Er bückte sich und küßte sie, und er nahm den trockenen, pudrigen Duft wahr, an den er sich von seiner Kindheit her erinnerte.
    »Wie geht es dir, Mutter?«
    »Sehr gut, danke mein Lieber. Nach Bar Harbor geht es uns immer gut. Das macht die Luft dort.« Sie erkundigte sich nicht nach seinem Ergehen.
    »Nun, William«, sagte der Vater. Er hielt seine Teetasse, rührte darin herum und reichte seinem Sohne nicht die Hand.
    »Du siehst besser aus als bei unserer letzten Begegnung, Vater.«
    »Es geht mir sehr gut, danke.«
    William setzte sich, nahm von der Mutter seine Tasse entgegen, bediente sich mit dünnen belegten Broten und entdeckte, daß er seinen Eltern nichts zu sagen hatte. Sie waren entschlossen, das sah er, ihm keinerlei Fragen zu stellen. Nun gut, dann wollte er eben nichts erzählen.
    Dann begann er sich widerwillig zu besänftigen. Schließlich war dies ihr Haus. Und es fing an, ihn mit seiner milden, sorgfältigen Schönheit zu beeinflussen. Er war sich nicht darüber klar gewesen, wie sehr er diese Art von Schönheit vermißt hatte, die sorgsam gepflegten alten Bücher, das Feuer, das unter einem geschnitzten Kaminsims brannte, und den großen Corot darüber als Grundton des Raumes. Das tiefe Moosgrün des Bildes wiederholte sich im Teppich und in den Tapeten. Er gewahrte zufällig in einem Winkel einen rötlichen Schimmer gegen eine dunkle Wandtäfelung, und er sah, daß es sein eigenes kleines Bild war.
    »Dort hast du es also aufgehängt«, sagte er impulsiv.
    Die Augen der Eltern richteten sich darauf.
    »Ein ganz reizendes Ding«, bemerkte die Mutter.
    »Finde ich auch«, stimmte der Vater zu.
    Zum erstenmal hatte der Vater ein Bild von ihm irgendwo im Hause aufgehängt, und gegen seinen Willen freute sich William.
    »Ich bin froh, daß du es gut genug findest, um es hier aufzuhängen«, sagte er.
    »Wir fanden, daß die Ecke ein bißchen Aufhellung brauchte«, gab seine Mutter zurück.
    Er hatte das Gefühl, daß sein Schweigen unzart wirken würde, und er fuhr deshalb fort zu reden. »Wie geht es Louise?«
    »Ganz gut«, antwortete die Mutter. »Das heißt, so gut es bei ihrem Zustand möglich ist.«
    »Oh, ist sie …« Er zögerte.
    »Ja, im April. Ich finde es schade, daß sie nicht noch etwas gewartet hat. Mir kommt es immer geschmackvoller vor, ein paar Jahre zu warten.«
    Die Mutter zog die Brauen in die Höhe und schob den Gesprächsgegenstand beiseite. Der Vater sprach zartfühlend ein Weilchen nichts. Er kostete seinen Tee und goß heißes Wasser zu.
    Dann sagte er: »Elise hat diesen Sommer in Bar Harbor geheiratet.«
    »Wirklich?«, fragte William überflüssigerweise.
    »Bist du zur Hochzeit nicht eingeladen worden?« forschte die Mutter.
    »Nein.«
    »Das finde ich sonderbar«, sagte sie. Ihre Stimme erhob sich ein wenig zur Schärfe hin. »Alle Welt war eingeladen.«
    »Es war eine schöne Hochzeit«, berichtete der Vater.
    »Zu viele Menschen.« Die

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