Eine Liebesehe
Sommertag gesessen hatte. Damals war er außerstande gewesen, ein Motiv zu finden. Er wunderte sich selber darüber.
›Warum habe ich nicht einfach gemalt, was vor meinen Augen lag?‹ dachte er. Bei diesem Gedanken dünkte es ihn, als sei er hinter ein Geheimnis der Maler gekommen.
Den ganzen Sommer hindurch hatte er weiterhin die Miete für die Wohnung bezahlt, aber sie waren nicht zurückgekehrt. Nach langen Selbstbefragungen war er im Herbst auch nicht allein hingefahren. Er konnte nur arbeiten, wenn er bei ihr war. Er mußte bei ihr sein, um sie zu vergessen, wie der Mensch, wenn er gespeist und geschlafen hat, diese Notwendigkeit vergißt und freudig aus der gefundenen Kraft heraus daran geht, das zu tun, was ihm gefallt. Er stellte fest, daß er sie in diesem Hause leicht verlassen konnte. In New York hatte er sich immer unbehaglich gefühlt, wenn er von ihr fort war. Zuerst hatte er sie sogar veranlaßt, zu den Gesellschaften und Veranstaltungen, zu denen er eingeladen wurde, mitzukommen. Aber das war, ehe er ihren Haß auf Fremde erkannte. Er hatte mit ihr zusammen passende Kleider und Hüte für diese Anlässe gekauft.
»Jetzt mußt du dich wohl und sicher fühlen«, hatte er ihr befohlen. »Du kannst es. Du brauchst nur zu denken: ›Ich bin die hübscheste Frau hier. William sagt es.‹«
Aber es hatte nichts geholfen, weder Kleider noch Lob. Sie fühlte sich nicht wohl. Und nach einiger Zeit, als er ihr Elend sah, ihre geballten Hände und ihr hochrotes Gesicht, ließ er sie zu Hause und ging allein aus. Dabei fühlte er sich nicht wohl und sicher. Er ertappte sich dabei, daß er ungeduldig wurde, nicht nur weil er am glücklichsten war, wenn er bei ihr weilte, sondern weil er den Gedanken an ihr Alleinsein in der gemeinsamen Wohnung nicht zu ertragen vermochte.
Hier im Bauernhaus aber war sie nie allein. Ohne irgendwelche Eifersucht erkannte er, daß sie nicht mehr von ihm abhängig war. Die Hühner, denen sie Futter streute, die Kühe, die sie melkte, die Arbeit, die sie verrichtete und liebte, all dies bedeutete für sie Gesellschaft. Er hätte vielleicht eifersüchtig sein können, wenn sie ihm nicht ihre Liebe mit solcher Glut und nie nachlassender Spannung geschenkt hätte, daß er sich wenigstens in der Liebe unentbehrlich fühlte. Die Freude floß jetzt in ihr über, und sie ließ diese Überfülle in der Liebe zu ihm verströmen. Trotz allem, was sie zu tun hatte, trotz der unaufhörlichen Pflege der kranken Mutter und der Haushaltsführung war sie nie zu müde für ihn.
Infolge dieser unbedingten körperlichen Befriedigung konnte er sie leicht verlassen, meinte er, und so gab er eines Tages im Frühherbst dem Impuls eines Augenblicks nach, der ihn bestimmte, seine Eltern zu besuchen.
»Hast du etwas dagegen, wenn ich meine Eltern besuche?«
Er war in die Küche gegangen, wo sie Brot buk, und hatte die Frage brüsk gestellt. Sie antwortete ihm mit vollständiger Ehrlichkeit, dessen war er sicher.
»Aber nein, William, ich glaube nicht.«
Sie hielt inne, ließ die Hände in dem Mehlteig ruhen und überlegte.
»Wenn du etwas dagegen hast, gehe ich nicht.«
»Ich wüßte nicht, was ich dagegen haben sollte – es ist doch klar, daß du manchmal hingehn mußt, und heute ist wirklich ein schöner Tag. Bist du zum Nachtessen wieder hier?«
»Ja – das heißt, vielleicht möchten sie mich zum Souper dabehalten?«
»Souper?« Einen Augenblick lang wurde sie von der alten Verwirrung ergriffen. Dann lachte sie. »Ach, ich vergaß – ihr nennt es ja so. Nun, auf jeden Fall bist du wohl morgen abend wieder daheim? Ich glaube, es wird mir doch ein bißchen unangenehm sein, allein zu schlafen – nie waren wir nachts getrennt.«
»Mir wird es ebenso ergehen.«
Er bückte sich, um ihren feuchten Hals zu küssen, und er nahm wieder ihren besonderen rosenartigen Duft wahr.
»Ich würde meinen, du ernährst dich von Rosenblättern, wenn ich nicht sicher wäre, daß du kräftigere Nahrung brauchst«, sagte er.
Sie lächelte nur, wie immer, wenn er etwas Hübsches sagte. Sie knetete erneut den Teig, und der feste Griff ihrer runden Fäuste schlug Leben in den Teig. So verließ er sie.
Er hatte einen Bummelzug erwischt, und er schlenderte in sein Elternhaus, als ob er nie fortgewesen wäre. Der alte Diener ließ ihn ein.
»Herr William!«
»Guten Tag. Ist jemand zu Hause?«
»Die Herrschaften sind in die Akademie gegangen, aber sie müssen jeden Augenblick zurückkommen. Der Tee steht in
Weitere Kostenlose Bücher