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Eine Liebesehe

Titel: Eine Liebesehe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pearl S. Buck
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Lippen der Mutter waren fest.
    »Nun, sie kennt eine Menge«, meinte der Vater milde.
    Was für einen Mann hatte Elise geheiratet? William ließ die Frage unausgesprochen. Wozu sollte er sich erkundigen, wenn es ihm doch gleichgültig war? Dann begann sein Vater genau so zu reden, als ob William die Frage geäußert hätte.
    »Sie hat einen sehr schönen Mann geheiratet sieht ziemlich eindrucksvoll aus, nicht wahr, Henriette?«
    »Sehr schön«, stimmte Frau Barton zu.
    »Ich nehme an, daß Elise in England leben wird?« William fragte ohne alle Neugier, aber er mußte Anteilnahme zeigen.
    »Ja«, antwortete die Mutter, »aber sie bleiben noch einen Monat hier. Sie möchte, daß er ihre Heimat noch etwas kennenlernt, ehe sie abreisen.«
    Das klang so ganz nach Elise, daß er ihre Stimme es sagen hörte. Sie liebte ihre Heimat, und es nahm ihn wunder, ob sie in der Ferne glücklich sein würde. Aber er drückte auch sein Bedenken nicht in Worten aus.
    Nachdem er gegangen war, hatte er das Gefühl, daß die Gespräche mit seinen Eltern größtenteils aus dem bestanden, was nicht geäußert worden war. Beim Abschied sagte seine Mutter mit einem gewissen geschäftsmäßigen Tone: »Übrigens, William, vielleicht sollten wir deine Adresse wissen – das heißt, falls du nicht gleich wieder nach New York ziehst.«
    »Ich weiß nicht, wann wir wieder hinziehen«, erwiderte er. »Ruth ist nicht gerne dort. Darum schreib vorläufig nur nach Hasser's Corners, Farm Harnsbarger.«
    Ihr Gesicht wurde unergründlicher denn je, wie stets, wenn er Ruth erwähnte. Aber ihre Stimme war freundlich.
    »Sehr gut, mein lieber Junge.«
    Sie streckte ihm die Hand hin, und der Vater begleitete ihn bis zur Türe der Bibliothek. William öffnete sich die Haustür selber.
    Es war Elise, die ihn letztlich bestimmte, auf der Farm zu bleiben. Am Tage nach seinem Besuch im Elternhaus ging er auf den Hang hinaus, um zu malen, und er ertappte sich dabei, daß die Landschaft rings um den Hof ihn verwirrte wie damals, als er sie zum erstenmal sah. Er war außerstande, ihre unendlich reichhaltigen Einzelheiten abzusondern. Die welligen Falten eines Hügels nach dem andern, das wohlgenährte Vieh, die großen Scheunen, die fülligen, festen Häuser, die dichtgefleckten Wälder und die saftigen Felder wurden eintönig in ihrem Überfluß an Farben und Fruchtbarkeit. Er dachte daran, Ruth abermals in ihrem Hause zu malen.
    »Schließlich hat Millet immer wieder die gleichen Bauern gemalt«, murmelte er vor sich hin.
    Aber Millets Bauern waren Streiter, und sie kämpften um die Erde, die sie liebten, sie kämpften mit ihr und entrangen ihrem widerstrebenden Griff das Brot. Hier gab es keinen Kampf. Diese Erde war so reich, daß sie sich sogleich ergab. Und der Mensch bekämpfte sie nicht mit nackten Händen und einer Hacke. Er fuhr hoch über ihr dahin, zermalmte sie zu Staub unter den aufreißenden Zähnen einer Maschine, und die Erde unterwarf sich. Kein Zeichen eines Kampfes gewahrte William in den glatten, fetten Gesichtern, die er erblickte, wenn er durchs Dorf schlenderte. Sogar Harnsbargers rundes Antlitz war seinerzeit wenig gekennzeichnet außer durch Jahre des Überflusses. William hatte den Gedanken erwogen, dieses alte Gesicht mit seinem Kranz weißer Haare zu malen, und es dann aufgegeben. ›Wer möchte nichts in einem Gesicht sehen außer zu viel Rührei und Pastete?‹ dachte er.
    Er klappte seinen Malkasten zu, schob die Staffelei zusammen und verbrachte den Vormittag im Walde, wo er in die bunten Bäume starrte. Mittags fand er einen Brief in dem Straßenbriefkasten am unteren Ende des Weges. Er war von seinem Vater. Die Schrift wurde alt, und sie zitterte auf dem Papier.
    »Lieber William,
    Elise und ihr Mann verbringen vor ihrer Abreise das Wochenende bei uns. Es ist uns eingefallen, daß es Dich vielleicht freuen würde, sie zu sehen. Magst Du zum Wochenende zu uns kommen, mein lieber Junge? Es wäre uns ein Vergnügen. Mutter läßt Dich sehr grüßen.
    Herzlichst Dein Vater.«
    Sie wollten, daß er Elise sähe – das war sein erster Gedanke, und seine Mutter war so schlau gewesen, ihm nicht zu schreiben. Sie hatte dem Vater aufgetragen, diesen Brief zu verfassen, einen sehr freundlichen Brief, in dem Ruth jedoch nicht erwähnt wurde.
    William stand auf der Straße und betrachtete die zittrige Schrift. Ja, auf ihre Weise vermißten sie ihn. Auf ihre Weise waren sie auch scheu. Sie befürchteten neue Umstände. Der Vater hatte

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