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Eine Liebesehe

Titel: Eine Liebesehe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pearl S. Buck
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die Kinder bereichert; ihre Schönheit erneuerte sich inmitten der drei kleinen Geschöpfe. Er malte sie einmal so, und es erstaunte ihn, daß die Kritiker keinen Fortschritt in seiner Arbeit verzeichneten.
    »Es ist das beste Bild, das ich jemals gemalt habe«, sagte er ärgerlich zu Ruth.
    »Das ist es auch«, stimmte sie mit Wärme zu. »Aber diese Leute meinen, alles müßte in New York gemacht werden, oder es ist nicht gut.«
    »Richtig«, sagte er, im stillen verwundert über ihre Schlauheit.
    Er beschloß dann in seinem Zorne, ihnen zu zeigen, was er konnte. Er wollte nie mehr ein Bild nach New York schicken. Er wollte eigene Ausstellungen veranstalten. Er wollte an diesem stillen Fleck leben und Bilder malen, daß jedermann herkam, um sie zu sehen.
    Er malte fleißig, und jedes Jahr stellte er seine Bilder im Freimaurersaal des Dorfes aus. Schulkinder vom Lande wurden hingeführt, damit sie sie betrachteten, und die Dorfzeitung berichtete jedes Jahr getreulich darüber. Gewöhnlich kamen einige Kritiker aus Philadelphia. Einmal las er einen Artikel von einem großen Kritiker in einer New Yorker Zeitung, der seinen Verlust betrauerte. »William Barton, dessen Anfänge so verheißungsvoll waren, hat die in ihn gesetzten Erwartungen nicht erfüllt«, hieß es in dem Artikel. Er hatte seine eigene Todesanzeige gelesen, wenigstens schien es so an jenem Tage. Er verbrannte die Zeitung, so daß Ruth sie nie zu sehen bekam, aber er konnte sein Gedächtnis nicht zu Asche verbrennen, und dort blieben die Worte haften.
    Immer wenn er erschlaffte und keine Anregung mehr fand, erinnerte er sich ihrer, und dann fing er ein neues Bild an. Acht Stunden im Tage seien sein Mindestmaß, erzählte er den Leuten, die ihn befragten. »Ich arbeite regelmäßig«, sagte er, »weil das der einzige Weg ist, um zur Vollendung zu gelangen.« Zwölf Jahre lang hatte er nun beharrlich gearbeitet, und mit derselben Beharrlichkeit weigerte er sich, zu glauben, daß er mit jedem Jahr immer mehr in Vergessenheit geriet.
    »Papa!« rief Jills Stimme von der Treppe her.
    »Ja, mein Herz?« rief er aus seinem Zimmer zurück.
    »Das Essen ist fertig. Ich hab' deine Pinsel gewaschen.«
    »Schön, mein Herz.«
    Er kämmte sich die Haare und rieb mit dem Pfropfen einer Terpentinflasche, die Ruth in seinem Zimmer aufbewahrte, einen Farbklecks aus seinem Hemd.
    Jill befand sich immer noch auf der Treppe. »Darf ich hineinkommen?«
    »Natürlich«, antwortete er.
    Sie trat in sein Zimmer, stand da und betrachtete ihn; es war ihr nicht ganz behaglich zumute, und doch sehnte sie sich nach einer sicheren Vertrautheit mit ihm. Aber er konnte sie ihr nicht geben, infolge einer seltsamen Laune der bösartigen Natur hatte dieses Kind genau dieselben grauen Äuglein in seinem frischen Gesicht wie der alte Harnsbarger, und jedesmal wenn William seine Tochter anblickte, sah er die Seele des alten Mannes in ihren Augen. Das war unvernünftig, doch es war so. Wenn er auch Jills Verlangen, ihn zu lieben, spürte, so fühlte er sich doch abgestoßen.
    »Papa, hast du heute nachmittag etwas Besonderes vor?«
    Er hatte nichts geplant, aber als sie ihn fragte, kam ihm plötzlich der Gedanke, daß es an der Zeit sei, wieder einmal seine Eltern zu besuchen. Er ging viel zu selten hin, wenn man bedachte, wie alt sie jetzt waren.
    »Ich glaube, ich muß in die Stadt«, sagte er.
    »Oh«, versetzte sie enttäuscht.
    Er machte sich im stillen Vorwürfe. »Wolltest du etwas?« erkundigte er sich.
    »Ich meinte, du würdest dir vielleicht etwas Nettes ausdenken, das wir unternehmen könnten«, sagte sie.
    Wäre sie ihm mit einem Vorschlag gekommen, an dem ihr viel lag, so hätte er unter Umständen nachgegeben. So aber dachte er ein wenig ungeduldig, daß sie phantasielos sei. Keins der drei Kinder hatte die geringste Phantasie.
    »Ich sollte eigentlich meinen Vater besuchen«, sagte er freundlich.
    Sie antwortete nicht, und er versuchte es wiedergutzumachen, indem er den Arm um ihre Schultern legte, als sie hinuntergingen. Er hatte die Kinder nacheinander zu seinen Eltern mitgenommen, doch war es ein Mißerfolg gewesen. Daheim sahen sie rosig und gesund aus, aber im Salon seiner Mutter wirkten sie tölpelhaft. Ihre Umgangsformen hatten sie von Ruth. »Es freut mich Sie kennenzulernen«, so hatte sie es ihnen beigebracht. Er fand nicht den Mut, ihr zu sagen, daß ihm diese Formel nicht beigebracht worden war und daß die Augen seiner Mutter, als die Kinder voller Angst, sich

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