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Eine Liebesehe

Titel: Eine Liebesehe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pearl S. Buck
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richtig zu benehmen, den Satz hervorstotterten, in dem scharfen, schönen Gesicht einen spöttischen Ausdruck annahmen; immerhin äußerte die alte Dame nichts. Er hatte keins der Kinder mehr mitgenommen, seit Hal im vorigen Jahr das Weinglas des Großvaters über das Spitzentuch ausgegossen und seine Mutter gesagt hatte: »Laß nur, das Kind kann ja nichts dafür, es weiß es nicht besser.«
    »Wo ist Hal?« fragte William einige Minuten später an seinem eigenen Tisch.
    »Fortgelaufen«, erwiderte Ruth. Sie preßte die schönen, vollen Lippen zusammen, während sie die Teller rasch mit Hühnerragout füllte. »Ich werde ihm eine Tracht Prügel geben, wenn er heimkommt, William, denn ich sagte ihm, er dürfte nicht weg, ehe er die Arbeit getan hätte.«
    »Aber Ruth«, wandte er ein, »ich hasse das Verprügeln.«
    Sie war im Begriff, etwas zu sagen, doch unterließ sie es. »Jemand muß doch eingreifen«, hatte sie hinausschreien wollen. Aber sie hatte gelernt zu schweigen. Sie blickte über den Tisch, um sich zu überzeugen, daß alles in Ordnung war, und sie antwortete ihm nicht.
    In der Bibliothek prüfte der alte Barton sorgfältig das Bild, das William am Vormittag vollendet hatte. In einem Anfall des Zweifels hatte William es mitgebracht. Es war gut oder vielleicht auch nicht. Sein Vater trat wortlos zurück.
    »Eine ausgesprochen amerikanische Landschaft«, bemerkte William unbehaglich.
    »O ja«, stimmte sein Vater zu.
    »Es ist etwas Sonderbares geschehen«, sagte William. »Ein Schmetterling flog gegen die Leinwand. Der Flügelstaub blieb haften, und ich hatte das Gefühl, ihn in das Bild zu malen.«
    Barton betrachtete seinen Sohn. Er hatte seine Brille weggelegt und setzte sich nun, um die Beine auszuruhen. Er war alt, und er hatte sich immer davor gefürchtet, unangenehme Dinge zu bereden. Aber er und seine Frau hatten oftmals ihre Meinung darüber geäußert, wie man mit William sprechen könnte.
    »Es hat keinen Zweck, nicht die Wahrheit zu sagen«, hatte sie erst an diesem Morgen erklärt.
    Das Alter hatte sie bitter und kalt gemacht und ihr den erlauben an das Gute genommen. Doch so wurden alle Frauen im Alter. Barton begriff das nicht. Er selber war, wie die meisten Männer, milder und warmherziger geworden, je älter er wurde.
    In diesem Augenblick, als er mit seinem Sohne nach dem Nachtessen allein war, beschloß er plötzlich, mit ihm zu reden. Denn das Ende des Alters war der Tod, und dann gab es keine Möglichkeit mehr, zu sprechen.
    »William«, begann er, »du bist begabt. Eine Zeitlang dachte ich, es sei vielleicht eine geniale Begabung.«
    Er sah ringsum die Wände seiner Bibliothek an. In dem fernen Winkel hing noch das kleine Bild.
    »Ich träumte von dem Tage, an dem ich ein Bild von dir in meiner Galerie aufhängen würde«, fuhr er fort. »Ich wollte es an die Stelle hängen, wo mein letzter Corot ist. Ich hatte die Absicht, eine Zeremonie daraus zu machen, wenn ich den Corot herunternehmen und statt dessen dein Bild aufhängen würde.«
    William versuchte zu lachen. »Eine solche Leistung könnte ich niemals vollbringen.«
    »Warum denn nicht?« fragte der alte Kunstkenner. »Warum nicht?«
    »Meine Begabung ist zweitrangig«, entgegnete William unbarmherzig und brachte seine eigene Wunde zum Bluten.
    »Nein«, sagte der Vater, »nein – es ist ein außerordentliches Talent, das du mit Zufriedenheit zugedeckt hast.« Er betrachtete Williams neuestes Gemälde. »Der Boden ist zu reich, das Grün zu üppig. Die wesentliche Form ist verloren. Wenn keine Form da ist, fehlt auch die Bedeutung. Eine glänzende Technik, William, die nichts bedeutet.«
    »Sprich offen«, erwiderte William fest.
    »Das will ich. Geh allein irgendwohin und sieh zu, ob du malen kannst. Bald wird es zu spät sein.«
    Barton erhob sich, und ohne Pose drehte er das Bild zur Wand um.
    »Ich danke dir«, sagte William leise.
    »Wollen wir wieder zu Mutter gehen?« fragte sein Vater.
    »Ja«, antwortete William.
    Erst spät abends verließ er das Elternhaus. Seine Schwester Louise kam noch mit ihrem Gatten und zwei Bekannten, einer dunklen jungen Frau und einem Manne. William traf Louise und Monty zwei- bis dreimal im Jahr, genügend oft, dai3 sie ihm vollkommen vertraut waren, und doch fühlte er sich heule einsam.
    »Da bist du ja, William«, sagte Louise.
    »Wie geht's?« murmelte Monty. Er streckte seine lange, matte Hand aus.
    William übersah die Hand, wobei ihm plötzlich bewußt wurde, daß er Monty nicht

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