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Eine Liebesehe

Titel: Eine Liebesehe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pearl S. Buck
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auf ihren Busen. »Ich weiß es, Ruth.«
    Aber er hörte ihr Herz rasch schlagen, und sie schlang die Arme nicht um ihn.
    »Wenn du das von mir denkst«, fuhr sie fort, »dann ist alles, was ich für dich getan habe, zwecklos, obwohl ich alles nur für dich tue. Ich führe den Haushalt so, wie du ihn meiner Ansicht nach haben möchtest. Nie rühre ich einen Kuchen oder stelle den Brotteig auf, ohne zu denken: ›Es ist für William.‹ Tag und Nacht ist das mein Gedanke.«
    Während all der gemeinsam verbrachten Jahre hatte sie nie so etwas gesagt.
    »Ich weiß«, flüsterte er. »Liebste, sprich nicht weiter. Ich verstehe dich. Ich bin so unvernünftig. Du gibst mir alles.«
    »Ich möchte es«, antwortete sie, »aber wenn du auch Worte haben willst …«
    »Nicht, Liebling … sag nichts mehr!«
    »Wenn du Worte haben willst«, wiederholte sie entschlossen, »nun, dann …« Sie sprach mit solcher Überwindung, daß er ihre Scheu und Scham mitlitt. »Ich … liebe dich.«
    Es war, als hätte sie sich um seinetwillen selber verwundet. Er legte die Hand auf ihre Stirn und fühlte, wie sie schwitzte. Aber er war erheitert und auch erregt. Er hatte sie dazu gebracht, es auszusprechen. Er hatte sie aus sich selbst, aus ihrem Schweigen herausgezwungen. Er hatte sie dazu gebracht, zu ihm zu kommen. Er lachte laut.
    »Oh, du süßes Wesen!« rief er. Diese zurückhaltende Frau, die mit ihrem Haushalt und ihren Kindern alle Hände voll zu tun hatte, war ein scheues, einsames Mädchen, und er allein wußte, wie sie war.
    Er zündete die Nachttischlampe an und streifte ihr das hochgeschlossene Nachthemd ab. Und sie lag so schön in ihrer Blüte, so viel schöner noch, als sie in ihrer Mädchenzeit gewesen war.
    Nicht nur sie war stark, auch er. Nicht nur sie stand in ihrer Blüte, auch er. Die Leidenschaft ihrer Jugend dünkte ihn klein und schwach im Vergleich zu dem mächtigen Drang, der sie jetzt beseelte. Gemeinsam sanken sie in die Tiefe des Abgrunds. Gemeinsam stiegen sie daraus empor.
    Als er um Mitternacht friedlich dalag, lachte er im stillen beim Gedanken daran, daß er jemals erwogen hatte, Ruths Haus zu verlassen, um auf die Suche zu gehen nach – was eigentlich? Um sich selbst zu suchen, hatte er gesagt, sich selbst, hatte er gedacht. Wäre er jedoch fort gezogen, so hätte er sein wirkliches Selbst zurückgelassen. Er war an dem Tage, als Hal durchbrannte, nicht von Ruth gegangen, weil er nicht konnte. Jetzt erkannte er, daß er niemals von ihr gehen würde, weil er nicht wollte. Dies, dies war es.

Weitere Jahre vergingen, ohne daß ein Gerücht, ein Brief oder eine Karte von Hal kam. William war jetzt vom Tode des Jungen überzeugt, doch sprach er nicht mit Ruth darüber. Mary und Jill hatten beinahe vergessen, wie ihr Bruder aussah. Sie wußten nur, daß der Vater ihn für tot hielt und daß die Mutter nicht daran glaubte.
    »Was meinst du?« fragte Jill ihre Schwester Mary.
    »Ich bin der gleichen Meinung wie Mama«, antwortete Mary.
    »Ich teile Vaters Meinung«, sagte Jill.
    In allem wollte sie es ihrem Vater gleichtun. Sie verehrte ihn und befürchtete immer, nicht hübsch genug zu sein, um ihm zu gefallen. Sie wollte so gerne hübsch sein. Weder sie noch Mary war wirklich hübsch, aber Mary war hübscher als sie. Sie wollte für ihren Vater hübsch sein, weil sie wußte, wie sehr er die Schönheit der Mutter wahrnahm. Bisweilen geschah es, daß er mitten im Essen, oder wenn sie abends am Kamin saßen, plötzlich sagte: »Ruth, du bist wunderschön.« Dann blickten alle Ruth an und sahen, wie schön sie war mit dem braunen Haar, das sich um ihre Stirne und ihre kleinen Ohren lockte, den roten Wangen und den blauen Augen. Wenn sie merkte, daß sie angestarrt wurde, errötete sie.
    »Schaut mich nicht so an«, sagte sie etwa. »William, du solltest vernünftiger sein.«
    »Wieso?« fragte er lachend.
    »Vor den Mädchen!« rief sie.
    »Aber sie wissen ja, daß du hübsch bist!«
    »Das meine ich nicht«, entgegnete sie und errötete noch mehr.
    »Was denn?«
    »Oh … William!«
    Sie fühlte sich immer gehemmt, wenn er sie zwang, sich in Worten auszudrücken. Und dann neckte er sie.
    »Meinst du, sie dürfen nicht wissen, daß ich in dich verliebt bin? Das sollten sie aber wissen – es ist gut für sie, es zu wissen, Sie müssen allmählich erfahren, was Verliebtheit ist.«
    »William!«
    Erst wenn Ruths Ton eine gewisse Seelenangst verriet, hörte er auf, sie zu necken.
    Es war jedoch nicht nur

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