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Eine Liebesehe

Titel: Eine Liebesehe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pearl S. Buck
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Neckerei. Oh, das wußten sie alle beide, sie und Mary! Nachher sprachen sie darüber. Mary aber ergriff stets für die Mutter Partei.
    »Papa sollte nicht so reden. Sie hat's nicht gern«, tadelte sie.
    »Ich finde es entzückend! Andere Männer sind so langweilig. Sieh dir den dicken Henry Fasthauser an. Ich möchte wetten, er spricht nie von andern Dingen als vom Vieh und von der Ernte.«
    »Ellie sagte mal, er sei auch in Mama verliebt gewesen«, erwiderte Mary verschmitzt. Ellie war Toms Frau.
    Jills graue Äuglein starrten die Schwester an. »Du meinst … er hätte unser Vater sein können?«
    Mary nickte.
    »Oh, das wäre entsetzlich!« rief Jill.
    »Wir hätten nichts anderes gekannt.«
    »O doch, ich wohl! Wenn wir unsern wirklichen Vater nicht hätten!«
    Aber insgeheim war Jill nie ganz sicher, ob William wirklich ihr Vater wäre. Kummervoll betrachtete sie sich im Spiegel, um eine Ähnlichkeit zu entdecken. Aber sie fand keine.
    »Sieht keins von uns Vater ähnlich?« fragte sie Ruth eines Tages beim Geschirrspülen.
    »Nur Hal«, antwortete die Mutter kurz. »Aber im Grunde gleicht er ihm nicht – nur äußerlich.«
    Niemand war jedoch auf Hals erschreckende Ähnlichkeit mit William vorbereitet, als er eines Tages plötzlich in der halbgeöffneten holländischen Türe erschien. Es war ein Samstag, und sie saßen beim Mittagsmahl. Zufällig verhielten sie sich in diesem Augenblick still. Ruth zerteilte einen Kirschkuchen.
    Eine träge Stimme erklang: »Gibt's was zu essen für einen Landstreicher?«
    Sie blickten auf. Da stand ein junger Mann. William erschrak. Er gewahrte sich selber. Dieses Gesicht … es war ihm vertrauter als dasjenige, welches er jetzt jeden Morgen im Spiegel sah! Ruth schrie zum erstenmal in ihrem Leben auf.
    »Hal!«
    Hal schwang ein langes Bein über die untere Türhälfte, dann das andere.
    »O Hal!« Ruth erhob sich halb und sank wieder zurück; ihr braungebranntes Gesicht war fahl. Unvermittelt fing sie an zu weinen.
    William sprang auf. »Kümmert euch um Mutter, ihr Mädchen!« rief er. Er nahm sein Weinglas und hielt es ihr an die Lippen. »Schäm dich«, fuhr er seinen Sohn wütend an, »sie nach all den Jahren so zu überfallen!«
    Er war plötzlich von wilder Wut auf Hal erfaßt, weil er Leid über das Haus gebracht hatte, weil seine Rückkehr an Ruths Erschütterung schuld war, vor allem weil er, dies wußte William mit aller Schärfe, genauso aussah, wie er selber vor dreißig Jahren ausgesehen hatte. Oh, er zürnte Hal deswegen sehr.
    Ruth aber fuhr ihn an. »Schäm du dich, William! Oh, Hal, Hal, du bist wieder da!«
    Die Tränen strömten ihr immer noch über das Antlitz, und sie machte sich von Williams Arm los, hob die Hand und streichelte Hals Wange.
    »Natürlich, Mama. Du wußtest doch, daß ich irgendwann einmal wiederkommen würde, ich wär´  niemals für immer fortgegangen.«
    »Das hättest du ihr schreiben können«, sagte William trocken.
    Der Junge war größer als er und allzu hübsch. Ob er selber wohl ebenfalls in seiner Jugend so hübsch gewesen war? Er erinnerte sich, wie Elise einst vor vielen, vielen Jahren in ihrer hemmungslosen, geraden Art zu ihm gesagt hatte: »Du bist allzu hübsch, um ein guter Mensch zu sein, William. Was steckt eigentlich hinter dir?«
    »Du meine Güte, ich bin kein großer Briefschreiber«, lachte Hal. »Ich hatte immer die Absicht, zu schreiben, und irgendwie kam ich einfach nicht dazu.«
    »Hal, wo warst du die ganze Zeit?« rief Ruth.
    »Überall«, antwortete er. »Verschont mich mit Fragen, bis ich was gegessen hab'.«
    Der Gedanke, daß er hungrig war, brachte sie zu sich. »Setz dich«, befahl sie ihm. »Mary, Jill, holt einen sauberen Teller und schneidet Fleisch auf – holt alles, was wir haben. Ich bin froh, daß ich den Kuchen gebacken habe. Gerade deinen Lieblingskuchen, mein Junge. Als ich ihn heute vormittag machte, dachte ich immerzu an dich! Aber, Hal, oh, daß du mich nicht benachrichtigt hast!« Ihre roten Lippen zitterten.
    Er hatte den Mund voll Brot, hörte jedoch auf zu kauen. »Hast recht, Mama«, murmelte er und schluckte. »Ich sehe jetzt ein, wie abscheulich das von mir war. Aber Teufel noch mal, die Zeit verging so schnell – immer war was los.« Er schnitt sich noch eine Scheibe Brot ab.
    »Was hat dich jetzt nach Hause geführt?« erkundigte sich William in strengem Tone.
    Er nahm wieder am oberen Tischende Platz. Es war ihm unmöglich, freundlich zu sprechen. Hal aber blickte ihn

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