Eine Liebesehe
verabscheute?
Jills unschönes Gesicht erhellte sich. »Oh, wie gern«, antwortete sie.
Sie gingen über den Rasen und dann den Pfad entlang, und es rührte ihn, zu sehen, wie ängstlich sie sich bemühte, sich ihm anzupassen. Sorgfältig zügelte sie ihren Schritt, um wie er müßig zu schlendern, obwohl sie gewöhnlich eine Art Hundetrab anschlug.
»Gehe ich dir zu langsam?« fragte William.
»O nein«, entgegnete sie eifrig. »Ich gehe sehr gern langsam – dann sieht man alles. Wenn ich allein bin, gehe ich jetzt manchmal absichtlich langsam, damit ich alles richtig sehn kann.«
Es fiel ihm schwer, zu sprechen, und er war überzeugt, daß es ihr noch schwerer fiel, obgleich sie tapfer einen Gesprächsgegenstand nach dem andern aufgriff. Er ließ sie gewähren. Nie hatte er seinen Kindern gegenüber Neugier empfunden, und doch wußte er instinktiv, daß Jill die einzige von den dreien war, bei der sich eine Forschung lohnen würde.
Endlich schwieg sie; es bedrückte sie, wie er erkannte, daß es ihr nicht gelang, ihn zu unterhalten. Er beschloß, sie aufzurütteln.
»Du weißt wohl, daß ich dich recht gern habe – als Mensch, nicht nur weil ich dein Vater bin«, sagte er.
Sie blickte zu ihm auf; ihr Gesicht strahlte vor ungläubiger Freude. ›So wird sie eines Tages aussehen‹, dachte er, ›wenn der Mann, den sie liebt, ähnliche Worte zu ihr spricht.‹
»Oh, wirklich?« stieß sie hervor. Sie nahm seinen Arm. »Es hat mich oft wundergenommen. Weil wir – Mary und ich, meine ich – gedacht haben, daß dir vielleicht nichts an uns liegt. Du bist zwar wunderbar zu uns, aber das bist du eigentlich zu allen Menschen.«
Dies belustigte ihn. »Ich will nicht mehr sagen, als du verstehen kannst«, versetzte er. »Es gehört zu meinen Grundsätzen, einen Menschen nicht nur deshalb zu lieben, weil er ein Verwandter ist. Der Gedanke, daß du mich einfach liebst, weil ich dein Vater bin, wäre mir nicht angenehm. Es ist reiner Zufall, daß ich es bin.«
Sie hatten den Zaun erreicht, und dahinter sahen sie Henry Fasthauser, der seine Kühe für die Nacht auf die Weide trieb.
»Der Mann dort zum Beispiel könnte ebensogut wie ich dein Vater sein – nur zufällig ist er es nicht geworden«, fuhr William fort.
Sie schmiegte sich an ihn. »Wenn der alte Fasthauser mein Vater wäre, würde ich sterben«, murmelte sie.
»Er ist nicht älter als ich.«
»Du wirst nie alt sein!« rief sie leidenschaftlich. »Du wirst immer derselbe sein wie jetzt, der beste Mann, den ich kenne!«
Er lachte. »Behaupte nicht zuviel. Spar das für den jungen Mann auf, dem du vielleicht morgen schon begegnest. Mag sein, daß er mir überhaupt nicht gleicht.«
»Dann will ich ihn nicht«, erklärte sie. »Er muß genauso wie du sein.«
Er lachte abermals; dieses junge Mädchen, das seine Tochter war, wärmte sein Herz, belustigte und rührte ihn und machte ihn jetzt auch ein klein wenig neugierig. In der Dämmerung strahlten ihn ihre Äuglein bewundernd an, und ihr Mund war zärtlich.
»Ich wünschte, ich könnte meine Gefühle für dich ausdrücken. Du bist anders als alle übrigen. Du erweckst andere Gefühle in mir. Ich möchte nicht wie alle übrigen sein – weil du mein Vater bist. Darauf bin ich ungeheuer stolz.«
Er drückte die heiße junge Hand, die auf seinem Arme lag. »Manchmal finde ich, daß ich nichts Besonderes bin«, erwiderte er.
Das wollte sie nicht wahrhaben. »Doch, du bist es! Alle sehen zu dir auf und … und denken wie ich. Sie wissen alle, daß du … dich von ihnen unterscheidest.«
Er seufzte. Ja, der Unterschied! Er sonderte ihn ab. Er fühlte sich auf einmal etwas einsam.
»Der Abend wird kühl«, sagte er. »Wir wollen hineingehen und Mutter suchen.« Er spürte ihre Enttäuschung und tätschelte schnell ihre Hand. »Du bist ein liebes Mädchen, ein sehr liebes Mädchen.«
Aber er wußte, daß keins seiner Kinder jemals an ihm teilhaben könnte.
Als er das Haus betrat, rief er: »Ruth, wo bist du? Ruth! Ruth!«
»Hier!« erklang ihre Stimme sehr schwach vom Speicher.
Er stapfte die Treppe hinauf, ein wenig fluchend, und fand sie vor einem Koffer knien. Eine Kerze, die auf einer Untertasse stand, flackerte neben ihr.
»Was um alles in der Welt treibst du am Abend hier oben?« fragte er. »Du wirst mit der Kerze noch das Haus in Brand stecken.«
»Ich mache diesen Koffer für Hal leer«, gab sie zurück.
»Koffer! Er kann doch keinen Koffer ins Feld nehmen!«
Sie kauerte sich
Weitere Kostenlose Bücher