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Eine Liebesehe

Titel: Eine Liebesehe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pearl S. Buck
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mit offenen, unverhüllten Augen an.
    »Der Krieg, Vater«, erwiderte er. »Wir werden in den Krieg eingezogen werden.«
    Drei Jahre, hatte Monty gesagt. Es war schneller gegangen. Vor nahezu drei Jahren hatte der Krieg in einer kleinen europäischen Stadt angefangen und sich wie ein Krebsübel über die Länder ausgebreitet. Doch dieser Krieg war für William nie etwas Wirkliches gewesen, denn alles, was für ihn Wirklichkeit bedeutete, spielte sich hier in Ruths Haus ab. Zwei- oder dreimal in der Woche überflog er die Schlagzeilen des Bezirksblattes, und manchmal kaufte er sonntags die Zeitung von Philadelphia. Ohne besondere Anteilnahme las er, wie ein ihm bekannter Ort nach dem andern vor den Deutschen kapitulierte. Deutschland hatte ihm gut gefallen. Eine einmonatige Fußwanderung durch den Schwarzwald gehörte zu seinen angenehmsten Erinnerungen. Und wenn Deutschland schon seine Grenzen erweiterte? Der Krieg blieb ein Schattenspiel am andern Ende der Welt, und die Jahre glitten über ihn hinweg gleich einem Strome klaren, lauwarmen Wassers, so daß er sie weder gesehen noch gefühlt hatte.
    Nun blickte er erschrocken ringsum, und er gewahrte ihr Mal an seinen Kindern. Hal war ein Mann geworden, Mary eine Jungfrau und Jill ein hochaufgeschossenes vierzehnjähriges Mädchen.
    Er richtete den Blick auf Ruth, und sogleich überflutete ihn wiederum der von ihr ausgehende Trost. Sie war nicht gealtert. Die Jahre hatten sie unberührt gelassen. Ihre Haare waren braun wie ehedem, ihre Augen blau wie je.
    Jetzt spiegelten diese blauen Augen hellen Schrecken. »Der Krieg geht uns doch nichts an, Hal?« fragte sie.
    »Vielleicht doch«, antwortete er.
    Der Teller vor ihm war vollgehäuft, und auf seiner Gabel steckte ein Bissen. Er benutzte den Daumen, um das Stück Fleisch, das von der Gabel gefallen war, wieder aufzuspießen.
    »Ich glaube es nicht«, sagte Ruth. Sie legte ihre Gabel hin.
    »Vielleicht aber doch«, wiederholte er. »Deshalb bin ich heimgekommen. Ich habe mich freiwillig gemeldet.«
    »Hal!« Ruths Schrei war scharf.
    Er blickte auf, sah ihre Miene und ließ die Gabel sinken.
    »Mama, man hätte mich ohnehin geholt. Die allgemeine Wehrpflicht wird eingeführt werden.«
    »Das ist kein Grund, zu gehen, bevor du mußt.«
    »Doch, Mama – außerdem möchte ich gehen, ich bin immer gern von Ort zu Ort gezogen.«
    »Aber nicht an einen Ort, wo du den Tod findest!«
    Hal lachte. »Ich werde nicht fallen, Mama! Man fällt erst, wenn eine Kugel für einen bestimmt ist.«
    William mischte sich ein: »Aber was hast du denn gegen die Deutschen, Hal?«
    »Gar nichts«, antwortete Hal fröhlich. »Nicht das geringste. Ich geh' zum Vergnügen.«
    Er lachte, und Mary und Jill, von seinem Leichtsinn angesteckt, stimmten in sein Lachen ein. Ruth und William hingegen blickten einander ernst an.
    »Warum lacht ihr?« fragte William streng.
    Ernüchtert hielten sie inne und sahen von einen zum andern. Weshalb waren die Eltern so ernst?
    »Da gibt's nichts zu lachen«, sagte Ruth.
    Er sagte sich, daß Ruth wieder die alte sein würde, sobald Hal gegangen wäre. Er bemühte sich, Geduld mit ihr zu haben. Dieser Frau stand es bevor, ihrem einzigen Sohne für Monate, für Jahre Lebewohl zu sagen, und dahinter dämmerte der Schatten eines Abschieds für immer. Er schämte sich seines eigenen widerspruchsvollen Wunsches, daß Hal schon fort und daß Haus und Alltag wieder im gewohnten Geleise sein möchten, und er verbarg seine Selbstsucht, als er sie erkannte, mit einem Schuldgefühl vor Ruth. Es war ihm klar, daß er Ruths Abwendung von seiner Person törichterweise übelnahm. Eifersucht quälte ihn, weil sie diesem großen, allzu hübschen Burschen, der sein eigener Sohn war, ihre Aufmerksamkeit schenkte. Am liebsten hätte er ihn aus dem Haus gewiesen, damit er nicht ihre Gemeinschaft teilte und damit er Ruth wieder ganz für sich hätte. Er sah es ungern, und seine Ungeduld wurde durch Widerwillen verstärkt, wenn sie über Hals dumme Späße und Streiche lachte. Hal machte mit Vorliebe handgreifliche Witze, foppte und neckte, und nur Jill verübelte ihm das. William fühlte sich zu der verständigen Jill hingezogen.
    »Laß uns einen kleinen Spaziergang machen«, sagte er eines Abends nach dem Abendbrot zu ihr.
    Seine erzwungene Zurückhaltung Hal gegenüber ließ ihn ruhelos werden. Was sollte ein Mensch tun, fragte er sich, wenn er merkte, daß er den Typus, als der sich sein eigener Sohn erwies, besonders

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