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Eine Liebesehe

Titel: Eine Liebesehe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pearl S. Buck
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geborener und aufgewachsener, nach Ruths Lebensweise erzogener William. Alles, was ihr bei William fremd war, das hatte Hal nicht. Sie verstand diesen jungen Mann, der Williams Körper und ihren Geist hatte, voll und ganz.
    Es wurde Abend, ehe William heimkam. Im Stall melkte Joel die Kühe, und Mary trug die Milcheimer hinein. William traf sie; in jeder Hand hielt sie einen schäumenden Eimer. Ihr friedliches Gesicht war von einem Lächeln aufgerührt, etwas Ungewöhnliches bei ihr. Sie gewahrte William erst, als er sie anrief.
    »Mary!«
    Sie schrak zusammen, und die Milch schwappte über.
    »Vater! Wo hast du gesteckt? Mama hat nach dir gefragt, sie hat sich um dich geängstigt.«
    »Ich dachte, Hal wäre hier.«
    »Er ist längst fort. Wo warst du denn?«
    »Bin nur ein bißchen spazierengegangen.«
    Mit ihren runden blauen Augen starrte sie ihn an.
    »Warum?«
    »Ich wollte mir ein Motiv suchen.«
    »Oh! Möchtest du essen?«
    »Ich hole mir etwas.«
    »Mama hat ihr Abendbrot schon gehabt.«
    »Gut.«
    Ihre Augen verloren die Anteilnahme, und sie ging mit den Eimern weiter. Im Stall begann Joel plötzlich zu pfeifen, laut und klar wie eine Spottdrossel. William begab sich ins Haus und stieg die Treppe hinauf. Oben begegnete ihm Jill.
    »Vater! Oh, wo warst du nur?«
    Eifrig umschlang sie ihn mit den dünnen, gebräunten Armen, und für einen Augenblick legte er den Arm um sie.
    »Nirgends war ich, bin bloß spazierengegangen.«
    »Mutter hat schon zwanzigmal nach dir gefragt. Sie hat sich wieder hingelegt. Hal ist fort.«
    »Ich weiß.«
    Auf den Zehenspitzen ging er ins Schlafzimmer, und Ruth rief: »William, bist du's?«
    »Ja, Liebes.«
    »William, wo warst du nur?«
    Er setzte sich neben sie aufs Bett.
    »Ich dachte, du würdest ganz gern ein bißchen mit Hal allein sein. Mein Herz, du fühlst dich doch hoffentlich nicht schlechter?«
    Sie blickte zu ihm auf mit ihren klaren blauen Augen; jung waren diese Augen wie das erstemal, als er hineingeschaut hatte.
    »Ich bin müde, weiter nichts. Aber weshalb sollte ich mit unserm Jungen allein sein wollen?«
    »Ich dachte es halt.«
    »Ich habe dich vermißt. Du hättest beim Abschied hier sein sollen.«
    »Er hat mich nicht vermißt.«
    »Aber ich.« Ihre volle Unterlippe zitterte, und ihre Augen füllten sich mit Tränen. »Oh, William, wenn er fällt! Ich kann nicht anders, immerzu muß ich daran denken – vielleicht hab' ich ihn zum letztenmal geküßt. Ach, dieser entsetzliche Krieg! Ich hätte weniger dagegen, wenn wir auf unserm eigenen Boden für etwas kämpfen müßten – aber in die fremden Länder zu gehn!«
    »Die Länder, aus denen unsere Vorväter stammen, Liebes. Sie sind uns also nicht ganz fremd.«
    Er hielt ihre Rechte in seinen Händen. Ihre Hand, die mit den Jahren noch fester geworden war, lag warm und kraftvoll zwischen seinen umschließenden Händen, die immer vie! geschmeidiger waren als ihre.
    »Sie sind mir ganz gleich«, entgegnete sie rebellisch. »Was kümmert mich das Schicksal von lauter Fremden? Mich kümmert, was in unserm Hause geschieht. Er ist nicht aufgeboten worden.«
    »Liebes, jeder junge Mann wird sehr bald einrücken müssen. Es ist Krieg.« Er sah es in ihrem schönen Antlitz zucken, und er lehnte sich vor, um sie in die Arme zu schließen. »Nicht, Liebling!«
    Aber sie schluchzte an seiner Brust, wortlos vor Kummer, und er hielt sie fest und ließ sie weinen. Im Kummer kehrte sie zu ihm zurück. Sie war so stark für das Leben und die tägliche Arbeit, so selten zeigte sie Schwäche oder weinte sie, daß dieser Augenblick, der sie ihm wiedergab, etwas Ekstatisches hatte. Sie schluchzte eine Weile, dann lag sie still, die Wange an seiner Schulter.
    »Der Krieg ist in dieses Haus gekommen«, sagte sie schließlich mit der gebrochenen Stimme eines Kindes.
    »Der Krieg ist in viele Häuser gekommen«, antwortete er sanft, »und er wird noch in viel mehr kommen.«
    »Ich denke nur an meins«, erklärte sie eigensinnig. Dann schloß sie ihn leidenschaftlich in die Arme. »Aber ich habe dich«, rief sie. »Nichts kann dich mir nehmen, William!«
    »Nichts«, gab er ernst zurück, »nichts im Leben.«
    »Wir werden nicht sterben!« rief sie. »Wir werden immer und ewig leben.«
    »Ja«, stimmte er zu.
    Er hielt sie, und er fühlte, wie sie ihn hielt, und er spürte, wie in all ihren Adern, Nerven und Muskeln sich wieder die Leidenschaft für ihn sammelte.
    »Du Süße«, flüsterte er.
    Sie legte die Hand auf ihre Brust und

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