Eine Liebesehe
Spannung ihres Körpers verrieten ihm mehr als die gewöhnlichen Worte.
»Es ist traurig«, sagte er ernst.
Er ging schnell zur Türe, während sie mitten im Zimmer stehen blieb, ihm nachschaute und das, was er gesagt hatte, allmählich erfaßte.
Als er in der Diele war, hörte er, wie die Türe aufgerissen wurde, und Jill ergriff plötzlich seinen Arm.
»Vater, darf ich mitkommen und mit seiner Mutter sprechen?«
»Natürlich«, antwortete er.
So kam sie mit ihm. Sie war immer sehr scheu, diese Jill, und doch entriß sie, als sie das Zimmer betraten, in dem Elise saß, William das Bild und gab es Elise selber.
»Oh, es betrübt mich so sehr!« sagte sie ungestüm.
Sie hatte eine schöne tiefe Stimme, aber nie hatte William ihre ganze Schönheit vernommen.
Jill ließ sich neben Elise nieder und ergriff ihre Hand. »Ich habe das Gefühl, ihn zu kennen. Ich kannte ihn. Jeden Tag habe ich sein Bild angeschaut. Ich wollte ihn kennenlernen. Jetzt ist das nicht mehr möglich.«
Sie sah Elise kläglich an, unsicher, ob sie verstanden würde, und Elise gab ihren Blick zurück. Und dann, als ob sie einander längst kannten, umarmten sie sich und weinten.
Bestürzt und verwirrt verließ William leise das Zimmer und ging wieder in die Bibliothek, wo er allein saß und über die Bedeutung von Elises Aufenthalt in diesem Hause nachdachte.
Im Wohnzimmer rückte Elise ein wenig von Jill ab, doch nur gerade so weit, daß sie dieses Mädchen, das weinte, weil Don tot war, betrachten konnte.
»Sind Sie Williams Tochter?«
»Ja, ich heiße Jill.«
»Sie weinen, als ob Sie meinen Sohn gekannt hätten.«
Jill forschte in dem müden, dunklen Antlitz. Dies war seine Mutter!
»Ich hatte ein ganz sonderbares Gefühl, als ich sein Bild in der Schublade fand. Ich kannte ihn. Ich hatte ihn schon gesehen. Zuerst meinte ich, es wäre ein Jugendbild meines Vaters.«
»Haben Sie gemerkt, daß er William glich? Oh, niemand außer mir hat das jemals bemerkt! Ich wagte es nie zu sagen!«
»Ich sah es. Dann erkannte ich, daß es nicht mein Vater war, sondern jemand anders. Und ich nahm das Bild mit der Absicht, herauszufinden, wen es darstellte. Seither habe ich es aufbewahrt und es immer wieder angeschaut …« Jill lachte aus reiner Erregung, ohne alle Fröhlichkeit, »… fast als ob ich den Mann liebte.«
Sie blickten einander an, zitternd in dem Wissen, was hätte sein mögen.
Dann hauchte Jill: »Ich hätte das nicht gestehen können, wenn er noch am Leben wäre.«
»Ich weiß.«
Das sonderbarste, süßeste Gefühl der Gewißheit erfüllte beide. Eine Hand hielt die andere fest.
Elise sprach. »Zum erstenmal hat mich etwas getröstet. Ich möchte Ihnen alles von ihm erzählen, vom Augenblick seiner Geburt an. Ich möchte, daß wir beisammen bleiben – Sie und ich. Glauben Sie, daß Ihr Vater Sie mit mir gehen lassen würde?«
»Er würde es erlauben. Bei meiner Mutter bin ich nicht sicher.«
»Ich vergaß sie.«
Ihre Hände lösten sich ein wenig, dann klammerte sich Elise wieder an Jills Hand.
»Versuchen Sie es! Um meinetwillen! Ich war so traurig. Und ich habe keinen Menschen.«
»Ich will´s versuchen«, versprach Jill. Ihr sehnsüchtiges, warmes Herz, das danach verlangte, mit all seiner Kraft jemanden zu lieben, flatterte um diese Frau gleich einem Vogel, der einen Schlupfwinkel umschwebt. »Ich möchte mit Ihnen leben«, sagte sie. »Vielleicht gehöre ich dahin.«
»Nein«, sagte Ruth.
Elise war gegangen. Oben auf dem Speicher hatte Ruth an einem Giebelfenster gestanden und zugesehen, wie die große, verschleierte Gestalt in den Wagen stieg. William half ihr dabei, obwohl ein Mann, der eine Art Uniform trug, da war und ihr hätte helfen können. Auch Jill war da. Was tat Jill dort, und warum beugte sich die Frau aus dem Wagen, nahm Jills Gesicht in die Hände und küßte sie? Ruth empfand eine eigentümliche Eifersucht. Eine fremde Frau hatte kein Recht, ihre Kinder zu küssen!
Als sie hinunterkam, war ihr Gesicht ruhig, ihr Herz äußerlich kalt und innerlich heiß. Sie traf William und Jill in der Diele.
»Wo warst du?« fragte William. »Ich wollte, daß du Elise kennenlerntest. Aber als ich mich umdrehte, warst du fort.«
»Ich ging, um auf dem Speicher sauberzumachen«, erklärte Ruth. »Ich hatte keine Zeit, unten zu bleiben. Jill, die Erdbeeren müssen eingezuckert werden. Heute nachmittag kannst du die Marmelade machen. Laß sie nicht anbrennen. Walderdbeeren müssen auf ganz kleinem Feuer
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