Eine Luege ist nicht genug
»Das stimmt. Elsinore Paper behauptet, dass das Wasser ungefährlich sei, und die Umweltbehörde stimmt damit überein. Ich bin hier, um allen Menschen zu zeigen, dass sie beide nicht recht haben.«
Olivia zog ein Einmachglas aus der Tasche ihrer Windjacke und hielt es in die Kamera. Von da aus, wo ich stand, sah es nicht wie Cola aus. Es sah mehr aus wie Tee, der zusammen mit Putzmittel zu einer schaumigen Suppe gerührt worden war. Eigentlich sah es aus wie das Flusswasser.
»Nun, wie können wir sicher sein, dass das wirklich Wasser aus dem Fluss ist?«, fragte die Reporterin. »Ich meine, könnte nicht jemand behaupten, du bist einfach in den entsprechenden Laden gegangen und hast sämtliche Limonaden zusammengemixt?«
Olivia blickte mich an und es wirkte wie eine Entschuldigung. Ich wurde aus diesem Blick nicht schlau, zumal wir das ja so geplant hatten. Ich wollte gerade vortreten und alles erklären, doch sie schaute wieder in die Kamera und sagte: »Schon gut, das ist wirklich Flusswasser, und ich trinke das schon seit drei Tagen ununterbrochen.«
Ich blieb stocksteif stehen. Das konnte doch nicht ihr Ernst sein.
»Hier, ich beweise es«, sagte sie, drehte den Deckel ab, goss das Glas aus, tauchte es dann in den Fluss und kam mit einer ähnlich schaumigen Brühe wieder hoch.
Ich lief auf sie zu, noch bevor ich protestieren konnte. »Nein, Olivia! Nicht …!«
Doch ich war zu weit weg. Sie nahm einen großen Schluck von dem Zeug, das auf der Stelle wieder hochkam zusammen mit dem, was sie in den letzten Stunden getrunken und gegessen hatte. Ich konnte sie gerade noch auffangen, als sie zusammenbrach, und ließ sie auf den Boden gleiten, damit sie auch noch den Rest herauswürgen konnte. Ich konnte es nicht fassen, dass ich so blöd gewesen war.
»Du hast es wirklich getan, oder?«
»Hat doch keinen Sinn … sie ohne Story nach Hause fahren zu lassen.«
Olivia taumelte und ihr Magen entlud sich wieder. Ich hielt sie aufrecht, zog mein Telefon raus, wählte den Notruf und bekam allmählich das Gefühl, als würde ich das in der letzten Zeit etwas zu oft machen.
Kein Empfang. Schon wieder.
Die Reporterin hatte sich aus der Gefahrenzone zurückgezogen, doch der Kameramann hielt die Stellung. »He, du«, fragte er, »spielt sie das?«
»Nein, das spielt sie nicht!«, schrie ich. »Und jetzt stellen Sie sofort das Ding ab und helfen mir, sie ins Krankenhaus zu bringen!«
Einundzwanzigstes Kapitel
Ich hasse Krankenhäuser. Das gedämpfte mitleidsvolle Geflüster, die traurigen, flackernden Fernseher in dunklen Zimmern, den Geruch von Desinfektionsmitteln und Erbrochenem, der über allem hängt. Zombies zockelten in Gewändern herum, bei denen man den Hintern sehen kann, und hielten sich an Garderobenständern mit Rädern fest, von denen Plasma oder Salzlösungen in ihre Adern tröpfelte. Sneaker quietschten durch die Gänge, wenn Krankenschwestern Schälchen mit Medikamenten austeilten oder Tabletts mit etwas, das an Kartoffelbrei und Steak erinnerte. Aber am schlimmsten von allem war der Eindruck von Schwäche und Verletzlichkeit.
Von Hilflosigkeit.
Ich hatte jetzt schon fast den ganzen Tag hier verbracht und gewartet, während die Ärzte mit Olivia in einen Operationssaal geflitzt waren, wo man ihr den Magen ausgepumpt und sie dann wieder mit Wasser durchfeuchtet hatte, das nicht braun war. Als sie damit fertig waren, brachten sie sie in ein Krankenzimmer, das gleich neben dem ihres Vaters lag. Das machte es für Olivias Bruder Larry ganz schön bequem, dachte ich, auch wenn er das offensichtlich nicht genauso sah. Ich überlegte mir auch, dass er sich als zukünftiger und auf Unfallmandate erpichter Anwalt freuen sollte, schon mal potenzielle Klienten an Land zu ziehen, aber Larry schien das anders zu sehen. Er benahm sich, als wäre er stinksauer auf die ganze Welt, mit mir angefangen.
»Fünf Minuten«, sagte er, als ich versuchte hineinzugehen, um nach Olivia zu sehen.
Ich fand, dass ich ein bisschen mehr Zeit mit ihr verdient hatte, immerhin war ich der Typ, der seine Schwester ins Krankenhaus geschleppt hatte, doch Larry, der Rechtsanwalt, machte hier die Vorschriften. Er ging ins andere Zimmer, um uns kurz alleine zu lassen, was für mich so viel war wie ein knappes Nicken dafür, dass ich seiner Schwester das Leben gerettet hatte.
Olivia sah aus, als hätte sie drei Runden im Ring mit einem Gorilla hinter sich. Ein Schlauch, so dick wie mein Mittelfinger, schlängelte sich aus ihrer
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