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Eine Luege ist nicht genug

Titel: Eine Luege ist nicht genug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alan Gratz
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Ahnung, woher es kommt.«
    »Es ist immer schön, so etwas von einem Arzt zu hören.«
    Er zuckte mit den Schultern. »Dioxin ist für uns nahezu eine Unbekannte. Es hat natürlich schon viele Tierversuche gegeben, doch jeder Versuch hat zu einem anderen Ergebnis geführt. Das eine Tier bekommt Leberkrebs. Ein anderes Lungenkrebs. Wieder ein anderes Magenkrebs. Nur eines bleibt in jedem Fall dasselbe.«
    »Alle kriegen Krebs«, vermutete ich.
    Er nickte. »Deshalb wird Dioxin für das gefährlichste Gift überhaupt gehalten – es kann alle Arten von Krebs erzeugen.«
    »Und heißt das jetzt … heißt das, dass ich Krebs bekomme?«, fragte Olivia.
    »Zwanzig bis fünfundzwanzig Prozent der Amerikaner bekommen irgendeine Art von Krebs«, meinte er. »W ir haben alle jede Menge Dioxin in uns und jeden Tag sind wir zahllosen anderen Karzinogenen ausgesetzt. Sie sind in der Luft, die wir atmen, dem Essen, das wir zu uns nehmen, sogar in den Bechern und Servietten, die wir benutzen. Wenn das Zeug erst mal aus dir raus ist, sind deine Chancen ebenso groß wie bei jedem anderen Menschen auch.«
    Der Arzt überprüfte noch einige Sachen auf Olivias Krankenblatt, dann klappte er es wieder zu.
    »Ich hoffe, ich habe dir keine Angst gemacht«, sagte er.
    »Nicht mehr, als ich sowieso schon hatte«, krächzte sie.
    Er lächelte. »Dir geht es bald wieder gut. Durch den schlimmsten Teil musst du jetzt gerade durch. Versprich mir nur, dass du dir keine neuen Nummern wie die heute Morgen mehr ausdenkst.«
    »In Ordnung, bevor ich mich schlagen lasse«, blödelte sie.
    Larry erwischte den Arzt an der Tür und bekam den ganzen Sermon ebenfalls zu hören. Das brachte mir ein paar Minuten mehr mit Olivia. Ich stellte mich neben sie, strich ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht und hielt ihre Hand.
    »Du bist wirklich ein Trottel«, meinte ich.
    »Danke«, sagte sie. »Ich mag dich auch.«
    »Also, da an dem Tag auf dem Felsen«, sagte ich. »Ich hab schon gewollt. Ehrlich. Es lag nicht an dir …«
    »Ich weiß. Es lag nicht an mir, es war Hamilton.« Sie lachte, was aber in ein Husten überging.
    Larry hörte sie husten und kam rein, offensichtlich gleichermaßen unglücklich darüber, dass ich ihre Hand hielt, wie darüber, dass sich Olivia selbst vergiftet hatte. Er verschränkte die Arme vor der Brust.
    »Die Zeit ist rum«, sagte er zu mir.
    »Ich komme morgen wieder«, versprach ich Olivia. »Und keine Sorge«, teilte ich Larry auf dem Weg nach draußen mit, »mich haben keine reichen kleinen heißen Feger im Wittenberg angehimmelt.«
    Larry machte die Tür hinter mir zu.
    Ich schaute schnell bei Paul Mendelsohn rein. Er schlief tief und fest. Auf dem Bildschirm über ihm hielt Olivia mit kurzen, aussagekräftigen Äußerungen Wache, da die Story von ihrer Vergiftung nun auf einem Vierundzwanzig-Stunden-Nachrichtenkanal lief. Ihr blasses Gesicht auf dem Bildschirm erinnerte mich an Hamiltons Vater, der live zu uns als Geist aus dem Tal der Toten gekommen war.
    Bei dem Gedanke an Hamiltons Vater fielen mir die Krankenblätter wieder ein, und ich brauchte nicht lange, um ein Schwesternzimmer zu finden. Die einzige Person, die ich dort antraf, war eine jüngere Frau – vielleicht Mitte zwanzig – mit mattbraunen Haaren und einem leichten Überbiss.
    »Kann ich helfen?«, fragte sie.
    »Hi«, sagte ich und setzte mein traurigstes Gesicht auf. »Mein Name ist Hamilton Prince. Mein Vater war vor einiger Zeit als Patient hier, aber ich kann mich nicht an den Namen des Arztes erinnern, der ihn behandelt hat.«
    »Kann er ihn dir nicht sagen?«, fragte sie.
    »Er ist an Krebs gestorben«, erzählte ich. »Als ich weg war, in der Schule. Und jetzt würde ich gerne mit seinem Arzt reden. Sie wissen schon, um unter alles einen Schlussstrich zu setzen.«
    »Das tut mir so leid«, sagte sie. »Du hast nicht irgendwelche Rechnungen oder Krankenblätter zu Hause? Und weiß deine Mutter nicht den Namen?«
    »Meine Mutter ist vor einem Jahr gestorben. Autounfall. Ich schniefte und zwinkerte, um feuchte Augen zu bekommen. »Es tut mir leid. Der Schulpsychologe hat mir den Namen vor den Sommerferien gegeben, aber dann war alles so durcheinander …«
    Ich trug ganz schön dick auf, aber ich konnte sehen, wie ihr schwaches Kinn immer schwächer wurde.
    »Prince hast du gesagt? Wie war der Vorname?«, fragte sie, während sie sich schon ihrem Computer zudrehte. »Hamilton, Genau wie … wie ich.«
    Sie nickte, und dann schrieb sie den Namen auf

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