Eine Luege macht noch keine Liebe!
dass sie glaubte, sich nur umdrehen zu müssen, um ihn hinter sich stehen zu sehen. Tränen schossen ihr in die Augen, als die Erinnerung sie mit aller Macht überfiel. Das war es, was ihr keine Ruhe ließ und vor dem sie nicht davonlaufen konnte.
Lara ließ sich in den Sand sinken und weinte lautlos vor sich hin. Sie vermisste ihn und das tat weh. Sie konnte die schmerzhafte Leere in sich vorübergehend betäuben, indem sie arbeitete wie verrückt, doch sobald sie zur Ruhe kam, war dieses Gefühl wieder da.
Der Wind, der einen Hauch von Frühlingswärme in sich trug, ließ die Tränen auf ihren Wangen zu kleinen, salzigen Krusten trocknen. Möwen zogen ihre Bahnen und stürzten sich kreischend ins seichte Wasser auf der Jagd nach kleinen Fischen. Am Horizont standen ein paar kleine, weiße Wölkchen. Sie sehnte sich danach, ihn zu sehen, mit ihm zu reden, sich von ihm die Namen der Vögel und Pflanzen erzählen zu lassen, wie er es so oft getan hatte. Seine Wettervorhersagen, die er auf die Form und Größe der Wolken begründete, hatten sie oft zum Lachen gebracht.
Der eiskalte Schmerz in ihrer Seele war so überwältigend, dass sie der Versuchung nachgab und über ein Treffen mit ihm nachdachte. Wenn er nur eine einigermaßen vernünftige Erklärung für sein Verhalten hätte, würde sie ihm glauben und ihm verzeihen. Sie würden sich aussprechen und versöhnen und dann – sie stockte.
Und dann?
Ihren Blick für diese Schönheiten der Natur, für ihre einfachen und doch unbezahlbaren Werte hatte nicht zuletzt auch Alessandro geschärft. Damit hatte er ihr zwar etwas geschenkt, das ihr niemand jemals wieder wegnehmen konnte, aber zugleich war er damit für sie auch unwiederbringlich verloren. Sie würden nicht mehr an diesen einsamen, menschenleeren Stränden sitzen und die Wolken und die Vögel beobachten, er würde ihr keine Geschichten mehr über Fischerboote, nächtliche Fahrten und seinen Großvater erzählen und sie würden keine langen, stillen Mußestunden vor dem Kamin in seinem kleinen Haus verbringen. Kein Gespräch und keine Versöhnung dieser Welt konnten ihr das zurückgeben. Stattdessen müsste sie die gleiche Vorzeige-Frau sein, die sie bei Andreas gewesen war und darum war es richtig, nicht mehr mit ihm zu reden, darum gab es nichts mehr zu sagen zwischen ihnen.
Nicht seine Lügen waren ihr Schmerz, nicht der Gedanke, wie sehr er sie damit der Lächerlichkeit anderer preisgegeben haben mochte und auch nicht mehr so sehr die unverschämten Beleidigungen seiner Großmutter, sondern der Verlust von ihm selbst. Der Alessandro, den sie kennen gelernt, in den sie sich verliebt hatte, den gab es nicht. Es hatte ihn nie gegeben, sondern er war nur ein Trugbild gewesen, das er ihr vorgegaukelt hatte. Damit hatte jedes Gespräch von Anfang an seinen Sinn verloren, denn sie hatte sich in ein Phantom verliebt, das gar nicht existierte. Keine Macht der Welt konnte ihr den Menschen zurückbringen, den sie in ihm gesehen hatte.
Vielleicht hatte sie nur deshalb so gerne dieses Bild von ihm gesehen, weil sie damit die Gespenster ihrer Vergangenheit vertreiben wollte. Sie hätte alles an ihm akzeptiert, nur nicht das, was er wirklich war: ein reicher, verzogener, an Macht und Luxus gewöhnter Sohn und als solcher war er für sie absolut indiskutabel! Sie empfand es sogar fast so, als sei der Mann, in den sie sich verliebt hatte, gestorben, niemals würde irgendein Mensch das verstehen.
Sie wusste nicht, wie lange sie so gesessen hatte, als sie schließlich zu frösteln begann, raffte sie sich auf und fuhr mit einem Gefühl tiefster Einsamkeit nach Hause zurück.
Einige Abende später besuchte sie Gaia. Als das Gartentor sich langsam öffnete und sie über den Hof auf das Haus zuging, die hell erleuchteten Fenster sah und sich das harmonische, liebevolle Familienleben vorstellte, das sich hinter diesen Mauern abspielte, wurde ihr übel vor Trauer und Selbstmitleid.
Die Kinder rannten sie fast um, als sie eintrat. Überall auf dem Boden lag Spielzeug verstreut, in der Küche auf dem Herd pfiff der Wasserkessel.
„Komm rein, ich koche uns gerade eine Kanne Tee“, hörte sie ihre Freundin rufen.
„Du siehst schlecht aus“, stellte Gaia fest, als sie sich an den Tisch gesetzt hatten und ihren Tee tranken. „Hast du heute schon etwas gegessen?“
„Nein, ich habe keinen Hunger. Mir ist schon nicht gut, seit ich vor ein paar Tagen so hastig meine Pizza gegessen habe.“
„Meine Mutter hat Recht,
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