Eine magische Begegnung
schimmernden Kopf, der in den Augen einer Katze wie ein Helm wirken konnte. Der Spazierstock eines alten Mannes. Wie ein dicker Ast. Mit einer Verdickung, einem Knauf.
Gerade als sie zu verstehen begann, richtete Hiram sein Gewehr auf sie. Dann sah er Lady D. an. “Nach dir habe ich schon überall gesucht. Ich hätte gern meinen Spazierstock wieder. Du solltest dich nicht auf fremder Leute Terrassen schleichen und einfach deren Eigentum stehlen, junge Dame. Ich fürchte, jetzt muss ich gegen euch beide irgendetwas unternehmen.”
Tanner merkte, wie sein Blutdruck so stark stieg, dass es ihm in den Ohren zu rauschen begann. Wo zum Teufel war sie bloß?
Verflucht, er wusste genau, wo. Sie radelte durch Benton und ließ Fluffy schnüffeln.
Er hatte eine Stunde vor seinem Einuhrtermin das Büro verlassen. Zuvor hatte er im Blumenladen angerufen und erfahren, dass Lili dienstagnachmittags nicht arbeitete. Nie.
Was bedeutete, dass sie ihn angelogen hatte.
Nach all dem, was gestern zwischen ihnen geschehen war, hatte sie ihn angelogen. Er konnte es beinahe nicht fassen. Andererseits hätte er mittlerweile wissen müssen, dass es typisch für Lili war, etwas Unerwartetes zu tun. Da er ihr verboten hatte, sich Fluffy zu “borgen”, hatte sie ihn ausgetrickst.
Vielleicht hätte er sich seine Befehle heute Morgen sparen sollen. Vielleicht hätte er sie zum Abschied küssen sollen. Vielleicht sollte er sich nicht so verdammt viele Sorgen machen. Aber seit Lili in sein Leben getreten war, konnte er nicht anders. Sie hatten miteinander geschlafen, alles war perfekt gewesen, dann hatte er das zerrissene Moskitonetz gesehen, und von dem Moment an war es steil bergab gegangen. Mit Lili würde es
immer
einen Grund geben, sich Sorgen zu machen.
Das Einzige, was sich heute nicht gegen ihn verschworen hatte, war der Verkehr. Die morgendliche Rushhour war längst vorbei, und der durch die Pendler am Nachmittag bedingte Stau hatte noch nicht eingesetzt. Die Heimfahrt, für die er normalerweise eine Stunde brauchte, hatte nur fünfundvierzig Minuten gedauert.
Er stellte seinen Wagen hinter Roscoes Auto ab, dessen Motorhaube noch ganz warm war; Roscoe war gerade von … irgendwo zurückgekehrt.
Nebenan war Lilis Rad an das Geländer der Veranda gekettet. Doch als Tanner an ihrer Tür klingelte, rührte sich nichts. Er ging zum Hintereingang. Die Tür stand halb offen. Er stieß sie auf und rief ihren Namen. Die Katzen schrien, als er eintrat, und stoben auseinander wie ein Schwarm Fliegen. Lili antwortete nicht. Auch im oberen Stockwerk war sie nicht zu finden. Sie hatte die verdammte Tür nicht abgesperrt. Er konnte förmlich hören, wie sie ihm erklärte, dass ja niemand einbrechen konnte, wenn nicht abgeschlossen war.
Sie war verrückt.
Verdammt, wahrscheinlich ging sie zu Fuß mit Fluffy durch die Stadt. Aber Roscoe hätte sie nicht mit dem Auto dorthin gebracht, oder? Zum Teufel, doch, genau das sah ihm ähnlich. Wie hatte Roscoe ihr nur den Kater geben können? Tanner hoffte nur, dass sie Erika nicht mitgenommen hatte, damit seine Tochter beruhigend auf Fluffy einwirken konnte. Wenn an dieser ganzen verfluchten Sache überhaupt von beruhigend die Rede sein konnte …
Wenig später fiel seine eigene Küchentür mit einem lauten Knall hinter ihm zu. “Roscoe!”, brüllte er.
Sein Vater steckte seinen Kopf aus der Speisekammer. “Du brauchst nicht so zu schreien. Ich bin vielleicht alt, aber nicht taub.”
“Wo ist Lili?”
“Sie arbeitet. Du hast sie selbst hingebracht, schon vergessen?”
“Dort habe ich angerufen. Dienstags arbeitet sie nur halbtags.”
“Oh.”
“Das ist alles, was dir dazu einfällt? Oh? Sie hat mich angelogen.”
“Lili lügt nicht.”
“Diesmal schon.”
“Vielleicht hast du etwas missverstanden.”
“Ich habe ihr gesagt, dass ich sie nach der Arbeit abhole.”
“Hast du auch gesagt, um wie viel Uhr?”
“Sie wusste, dass ich 18 Uhr gemeint habe. Genau wie gestern.”
“Vielleicht hat sie angenommen, dass du weißt, dass sie dienstags nur bis Mittag arbeitet?”
Tanner sah Roscoe finster an. “Hast du ihr Fluffy gegeben?”
“Sie versucht doch schon, für die anderen Katzen ein neues Plätzchen zu finden. Warum sollte ich ihr also noch eine geben?”
“Roscoe …” Tanner beherrschte sich nur mühsam. Sein Vater brachte ihn zur Weißglut.
Roscoe stützte sich mit der Hand an die Tür der Speisekammer und runzelte die Stirn. “Weshalb bist du so
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