Eine magische Begegnung
unwiderstehlich. Tanner holte tief Luft und atmete langsam wieder aus.
“Entschuldige bitte, ich habe vergessen, dass ich diesen Satz nicht sagen soll.”
“Spuck's aus, Lili.” Verdammt, er wollte noch viel mehr von ihr. Er wollte sie, begehrte sie – und das trotz seines eigenen familiären Durcheinanders und obwohl dieser Mordfall alles überschattete.
“Ich hätte dir gestern sagen sollen, dass ich Lady Dreadlock auf der Wiese begegnet bin, als ich vorgestern allein unterwegs war. Aber ich habe Zeit gebraucht, um in Ruhe darüber nachzudenken, ob ich es überhaupt irgendjemandem sagen soll – also nicht nur dir. Heute früh haben Einstein und ich uns mit ihr unterhalten, und jetzt weiß ich, dass ich es nicht für mich behalten darf.”
Tanner zog sie an sich und küsste sie direkt auf den Mund. Fest.
“Warum hast du das getan?”, fragte sie, als er sie wieder losgelassen hatte, und sah ihn mit großen Augen und ziemlich verklärtem Blick an.
“Wenn ich es nicht getan hätte, hätte ich dich anbrüllen müssen. Und mir ist nicht nach Brüllen, obwohl ich zugegebenermaßen sauer bin.” Er schwankte immer noch zwischen dem Bedürfnis, sie unsanft zur Vernunft zu bringen und sie solange zu küssen, bis sie nicht mehr klar denken konnte. Beziehungsweise er wieder klar denken konnte. “Warum zum Teufel hast du mir das nicht schon gestern gesagt?”
Doch in Wahrheit wusste er die Antwort. Tief in ihrem Inneren traute Lili ihm nicht. Sie vertraute weder darauf, dass er ihr glaubte, noch darauf, dass er sie beschützen würde, und auch nicht darauf, dass er ihr nicht wehtun wollte.
Sie würden sich darüber unterhalten müssen, was er gestern Abend zu ihr gesagt hatte. Aber nicht hier und jetzt, direkt vor dem “Mane Man”. Die Sonntagmorgenmesse war vorbei, die Straße füllte sich mit Autos, und aus allen Richtungen kamen Menschen – Spaziergänger, Radfahrer und Skateboarder.
“Vergiss meine Frage. Es ist mir im Augenblick egal, warum du es mir gestern nicht gesagt hast. Wer ist diese Lady Dreadlock?”
Als sie es ihm erklärt hatte, war er verwirrter als zuvor. Lili hatte diese Gabe, einen Mann völlig durcheinanderzubringen.
“Lass es mich zusammenfassen. Diese verrückte Frau …”
“Sie ist nicht richtig verrückt.”
Er hob abwehrend die Hand. Lili verstummte. “Diese verrückte Frau hat dich monatelang belästigt, doch du hast es der Polizei nicht gemeldet. Dann bist du ihr an jenem Abend begegnet, als du dich allein auf die Suche nach der Leiche gemacht hast. Und jetzt hat sie dir gesagt, dass sie mit Tieren redet und dass sie Fluffy am Morgen nach jener Nacht gesehen hat, als mein Kater Zeuge eines Mordes war. Habe ich dich richtig verstanden?”
“Fast. Außer dass Lady D. es nicht mir, sondern Einstein erzählt hat. Und Einstein hat es dann mir erzählt.”
Tanner hätte am liebsten mehrere Male hintereinander mit dem Kopf gegen die Hauswand des “Mane Man” geschlagen. Wenn er schon Probleme damit gehabt hatte, dass Fluffy Lili von einem Mord erzählte – wie sollte er mit dem Rest der Geschichte umgehen, die sie ihm gerade eröffnet hatte?
Doch er würde nicht die Beherrschung verlieren. “Ist das jetzt alles?”
Lili biss sich auf die Lippe. “Hm, ja, ich glaube, das war alles.”
“Du hast nicht absichtlich etwas ausgelassen?”
“Ganz bestimmt nicht. Das war alles. Aber du redest mit mir wie mit einem Kind.”
“Du hast recht, tut mir leid. Es war unangebracht.”
“Das glaube ich dir nicht.”
“Lili …”
“Wir reden später darüber.”
Allerdings würden sie das! Denn Tanner würde auch gerne ein paar Themen seiner Wahl zur Sprache bringen. “Na gut, dann gehen wir jetzt zur Polizei.”
Sie sah ihn entgeistert über den Rand ihres Kaffeebechers hinweg an.
“Was ist?”
“Flippst du gar nicht aus? Brüllst du mich nicht an?”
“Nein.”
“Warum nicht? Vielleicht habe ich mir das mit Lady Dreadlock ja nur ausgedacht, um mehr Aufmerksamkeit zu bekommen.”
Sieh an. Sie hatte also seine Unterstellung von gestern nicht vergessen. Er hätte nie gedacht, dass sie so gut darin war, sich ihre Gefühle nicht anmerken zu lassen.
“Lili, wegen gestern Abend …”
Sie presste eine Hand auf ein Ohr, den Kaffeebecher auf das andere. “Ich will es nicht hören. Von gestern Abend habe ich genug. Los, gehen wir zum Sheriff.”
Sie mochte genug davon haben, aber Tanner wusste, dass es bei ihm nicht der Fall war. Er hatte nicht genug. Noch lange
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