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Eine magische Begegnung

Eine magische Begegnung

Titel: Eine magische Begegnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Skully
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nicht.
    Sheriff Gresswells Schreibtisch hatte die gefühlte Größe einer Briefmarke, und sein Büro wirkte, bildlich gesprochen, wie eine Postkarte in einem DIN-A4-Kuvert. Wäre der Sheriff größer als einsfünfundfünfzig und schwerer als siebzig Kilo, hätte er vermutlich nicht durch die Tür gepasst. Andererseits war die Polizeistation ja auch nur in einem einstöckigen Gebäude untergebracht, in dem sich links noch das Büro eines Steuerberaters und rechts die Praxis eines Allgemeinmediziners befanden. Es gab hier auch kein Gefängnis – Verbrecher wurden ins Amtsgebäude von Benton gebracht –, und wenn ein Sondereinsatzkommando angefordert wurde, musste sich das Team am Parkplatz versammeln. Dort wiederum reichte der Platz auch nicht für viel mehr als den Einsatzwagen. Als die nicht konfessionsgebundene Bibelrunde auf der anderen Straßenseite sich darüber beschwert hatte, hatte der Stadtrat das Einsatzkommando gebeten, sich doch vor dem Turnsaal der Highschool zu treffen. Das wiederum lenkte jedoch die Schüler zu sehr ab, weshalb man wieder auf den Parkplatz zurückgekehrt war. Die Kirchengemeinde musste also weiterhin leiden.
    Gott sei Dank war heute kein Einsatzkommando vor Ort.
    Sheriff Gresswell fuhr sich durch sein kurzes und ungewöhnlich dicht gelocktes graues Haar. Er trug immer noch seinen Sonntagsanzug.
    Er wandte sich an Tanner. “Ich wollte heute Nachmittag ohnehin bei Ihnen vorbeikommen, um noch ein paar offene Fragen zu klären.”
    Offene Fragen? Lili schluckte. Warum hatte Tanner vorhin nicht die Beherrschung verloren und sie angebrüllt? Dann ginge es ihr jetzt besser. Stattdessen hatte er sie geküsst, und sie wusste nicht, was das bedeutete. Außerdem hätte sie sich wohler gefühlt, wenn sie allein mit Sheriff Gresswell hätte reden können. Aber Tanner hatte sich durchgesetzt. Statt ihr Fahrrad in seinem Kofferraum zu verstauen, hatten sie es im Hinterzimmer des Blumenladens abgestellt, der sonntags geschlossen war und in dessen Schaufenster nun Einstein zwischen den Blättern des Philodendrons hockte und auf die Straße hinausguckte.
    Tanner war der Meinung, dass es in Lilis Situation nicht hilfreich wäre, in Begleitung einer Katze beim Sheriff aufzutauchen, womit er wahrscheinlich recht hatte.
    “Haben Sie schon einen Hinweis, wer der Tote ist?”, fragte Tanner.
    “Nein, noch nicht. Der Pathologe konnte uns nur sagen, dass es sich um einen Mann weißer Hautfarbe Anfang zwanzig handelt. Wir haben seine Fingerabdrücke abgenommen.” Mit einem Seitenblick auf Lili fuhr er fort: “Zumindest das, was davon noch übrig ist.”
    Du lieber Himmel, sie wollte sich gar nicht vorstellen, was
nicht mehr
da war.
    Sheriff Gresswell wandte sich wieder an Tanner. “Wir lassen seine Fingerabdrücke gerade durch die Datenbank laufen, aber bis jetzt gab es noch keinen Treffer.”
    Dann lächelte er Lili an. Es war ein sehr freundliches Lächeln, bei dem seine schönen weißen Zähne aufblitzten und eine beachtliche Zahl von Lachfältchen um seine Augen sichtbar wurde. Man sah ihm an, dass er viel Zeit im Freien verbrachte, doch sein wettergegerbtes Gesicht war nicht so sorgenzerfurcht, wie man es bei jemandem erwarten würde, der seine Tage und Nächte damit verbrachte, sich mit prügelnden Ehemännern oder mit Teenagern herumzuschlagen, die Drogen ausprobierten. Oder mit Leichen, die schon so lange im Freien lagen, dass sie die Aasfresser anlockten.
    Vielleicht hatte er ja eine liebevolle Ehefrau, die ihm die Sorgenfalten wegstreichelte? Vielleicht konnte er aber auch eine Katze gebrauchen? Bash würde hervorragend zu ihm passen. Nach einem anstrengenden Tag im Zeichen der Verbrechensbekämpfung würde er sich bestimmt freuen, wenn zu Hause eine Katze auf ihn wartete, deren einziger Wunsch es war, zu lieben und geliebt zu werden. Im Augenblick allerdings war nicht der richtige Zeitpunkt, das Gespräch auf Bash zu bringen.
    “Da Sie gerade von offenen Fragen geredet haben, Sheriff …”, sagte Lili und trommelte mit den Fingern auf der Lehne ihres Stuhls herum. Zwar hatte Gresswell seine offenen Fragen schon vor ein paar Minuten erwähnt, doch Lili schien die Formulierung ein guter Anknüpfungspunkt. “Da ist etwas, was ich gestern im Gespräch mit Ihren Beamten vergessen habe.” Das war nicht gelogen. Lady Dreadlock war ihr erst wieder eingefallen, als Tanner und sie auf dem Heimweg gewesen waren.
    Tanner setzte sich eine Spur aufrechter hin und legte seinen Ellbogen auf die Armlehne.

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