Eine magische Nacht. Roman
doch die Gabe des Glamours als das Werkzeug, das es ist. Habe den Mut, ihn zu benutzen, und akzeptiere das moralische Risiko, das du immer dann eingehst, wenn du es tust.«
Ruckartig drehte Janelle sich um, ging einen Schritt und kehrte dann unentschlossen gleich wieder zurück. Sie wusste nicht, was sie sagen, denken oder fühlen sollte.
»Fang einfach mit dem Hier und Jetzt an. Alles andere lass ein wenig sacken.«
Hier und Jetzt. Mit dem Hier und Jetzt würde sie umgehen können. Aber im Hier und Jetzt schien auch eine Täuschung zu liegen. »Du meinst also, dass ich die Kräfte anwenden soll, die sie mir verliehen haben. Wenn du recht hast, dann gehen sie tatsächlich davon aus, dass ich diesen Glamour auch nutze.«
»Zum Wohl der Allgemeinheit. Ja. Genauso wie du auch deine Gabe zu heilen gut genutzt hast. Nichts davon ist böse, Janelle. Eigentlich würde ich wetten, dass der Durchschnittsmensch diese Gabe als Wunder ansehen würde. Die Gabe des Glamours macht es dir einfach möglich, Magie in einer Welt anzuwenden, die nicht so ohne weiteres an das Unerklärbare glaubt oder es gar akzeptiert.«
Janelle nickte langsam, fühlte sich im Innern aber immer noch sehr unsicher. Das galt wohl auch für das Äußere, wenn sie ihre zittrigen Hände so ansah. Sie hatte zittrige Hände. Sie, eine Ärztin? Das war ja nun wohl ein sicheres Anzeichen dafür, dass sich ihre Welt völlig auf den Kopf gestellt hatte.
»Mach dir nichts draus. Das ist nur eine Reaktion. Du bist eine Ärztin, richtig, und jetzt bist du auch eine Heilerin. Eine druidische Heilerin, die ihre Kraft aus elfenbasierter Puka-Magie bezieht, ob du das akzeptierst oder nicht.«
»Elfenzauber?« Druiden und Elfen und Pukas und Ärzte. »Aber …«
Kane, der Mistkerl, sah aus, als würde er gleich loslachen! »Aber du bist auch menschlich«, ergänzte er. »Es ist dir erlaubt, darauf zu reagieren.«
»Reagieren? Ich werde dir zeigen, was reagieren heißt. Wie kannst du es wagen, über mich zu lachen? Das ist eine ernste Angelegenheit. Ich denke darüber nach, im Kopf eines erwachsenen Mannes herumzupfuschen. Dem Kopf eines Mannes, der für die öffentliche Gesundheit verantwortlich ist. Das ist etwas Ernstes.«
Er seufzte. »Willst du dich nicht ein bisschen freuen? Die Druiden haben dir die Macht anvertraut. Ich vertraue dir, dass du mit dieser Macht richtig umgehst. Und Dr. Hoffmann vertraut dir die Gesundheit der Patienten seiner Klinik an.«
Janelle schnaubte. »Klar, er liebt mich. Und wenn er sieht, wie ich mit den Fingerspitzen eine offene Wunde heile …«
»Ja?«
Sie schauderte. »Nun, selbst wenn die Leute sehen, dass ich eine echte Gabe habe und nicht wahnhaft bin, würden sie mich einem Haufen durchgeknallter Wissenschaftler überlassen. Ehe du dich versiehst, werden sie Versuchsreihen laufen haben, um herauszufinden, ob ich in der Lage bin, die Dinosaurier wieder zum Leben zu erwecken oder die Hauptstädte unserer Feinde in Zombiezentralen zu verwandeln.« Sie schüttelte sich. »So viel zu der Wundergabe.«
»Was die Zombies angeht oder die Wiedererweckung der Dinosaurier, bin ich mir nicht sicher, aber das Szenario mit den Wissenschaftlern ist mit Sicherheit möglich.« Demonstrativ legte er eine Pause ein. »Es sei denn, du wirst es aktiv verhindern.«
Sie zog ein langes Gesicht. »Indem ich mich zur Glam-Queen mache.«
»Ich hätte es etwas anders ausgedrückt, aber ja. Das ist das, was ich glaube.«
»Ich werde darüber nachdenken. Mehr kann ich nicht versprechen.«
Klopfenden Herzens befreite Kane sich aus einer Trance und stellte fest, dass er am Fenster des Geschäftsbüros der Klinik stand und hinausstarrte. Auf der Suche nach einem anderen Bild, das die Schreckensbilder seiner Seele ersetzen könnte, richtete er den Blick auf eine Ansammlung gut gepflegter Büsche, die im Licht der tief stehenden Sonne lange Schatten warfen. Wenig beruhigt pochte sein Herz nach wie vor weiter. Diese Visionen wurden intensiver. Sie überfielen ihn nun auch in Momenten des Wachens, nicht mehr nur im Schlaf.
Und immer ging es um Janelle. Ihr schönes Gesicht so blass und leblos. Es war immer dasselbe, und doch nicht ganz. Trotz der Dunkelheit, die sie in seiner Vision umgab, hatte er sehen können, dass ein schwach violettes Hämatom an ihrem Kinn prangte. Hatte er ihr das angetan? War er derjenige, der sie geschlagen hatte? Wie zum Teufel war sie gestorben? Und warum?
Er fürchtete sich vor der Bedeutung des Ganzen. Angesichts
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