Eine Marcelli geht aufs Ganze
und habe dann ihr Zeug durchwühlt. In irgendwelchen alten Ordnern habe ich diese Adresse gefunden.«
Das war das zweite Mal, dass Kelly den Namen Raoul erwähnte, und sosehr Francesca auch wissen wollte, wer das war, hatte sie doch noch eine drängendere Frage.
»Wie hast du es geschafft, auf eigene Faust hierherzukommen?«
Kelly nahm einen Bissen Enchiladas und fing an zu kauen. Nachdem sie heruntergeschluckt hatte, sagte sie: »Das war ganz leicht. Ich hab das Ticket im Internet gekauft. Ich habe diese Kreditkarte, mit der ich so ziemlich tun und lassen kann, was ich will. Das wird alles vom Erbe meiner Großmutter bezahlt, also ist es Tanya egal. Wie auch immer. Ich habe das Ticket gekauft, die Limousine organisiert, die mich hierher bringen sollte, und alles im Voraus bezahlt. Leider hatte ich das Trinkgeld vergessen, was echt ein Knaller ist. Ich schätze, Sam wird mich mit Bargeld versorgen müssen.«
Sie dachte einen Moment über das Problem nach, dann fuhr sie fort: »Tanya hat die Nacht bei Raoul verbracht, also war sie nicht zu Hause. Ich hab mir ein Taxi zum Flughafen genommen und bin ins Flugzeug gestiegen.«
»Na, so einfach wird das doch wohl kaum gewesen sein«, meinte Francesca.
»Doch, war es. Ich habe gewartet, bis der Flug bereit zum Boarden war, und bin dann zum Counter gegangen, um mich anzumelden. Sie sind erst mal total ausgeflippt und haben nach meinen Eltern gefragt. Ich habe gesagt, dass meine Mom noch den Wagen parkt. Warst du jemals am JFK? Hast du eine Ahnung, wie schrecklich hektisch es da ist? Die Bodenstewardess wusste genau, wenn sie warten würde, bis meine Mutter auftaucht, würde sie den Flug niemals pünktlich starten können. Oh, und ich habe ihnen ein falsches Alter genannt. Ich hab gesagt, ich wäre fünfzehn. Sie hat mir geglaubt. Also bin ich eingestiegen, und nun bin ich hier.«
Kelly klang ruhig und gefasst, aber Francesca fand trotzdem, dass eine Zwölfjährige nicht mutterseelenallein quer durchs Land fliegen sollte, um einen Vater zu suchen, den sie gar nicht kannte, nur weil ihre Mutter nach Europa ziehen wollte.
»Gibt es irgendwo auch was zu trinken?« Kelly schielte auf die offene Flasche Merlot.
Francesca ging zum Kühlschrank. »Wie wäre es mit einem Glas Milch?«
Kelly verdrehte die Augen. »Prima. Kalzium ist gut für meine Knochen.«
»Wovon, zum Teufel, redest du da?« Mit dem schnurlosen Telefon am Ohr tigerte Sam in seinem Büro auf und ab.
»Ich weiß nicht, wie deine Mutter von meiner Schwangerschaft erfahren hat«, sagte Tanya. »Ich schätze, sie hat meinen Arzt bestochen. Aber das ist nicht der Punkt. Was ich dir zu sagen versuche, ist, dass ich, zwei Wochen nachdem du und ich beschlossen hatten, uns scheiden zu lassen, und ich ausgezogen war, festgestellt habe, dass ich schwanger bin. Ich wusste nicht, was ich tun sollte.«
Sam stieß einen verächtlichen Laut aus. Das stimmte auf gar keinen Fall. Tanya hätte bestimmt überschlagen, wie viel sie aus dem Baby herausschlagen könnte.
»Zwei Tage später ist deine Mutter aufgetaucht. Sie wusste von der Scheidung und von der Schwangerschaft. Sie wollte nicht, dass ich zu dir zurückkehre oder dir von dem Baby erzähle.«
Er lehnte sich gegen seinen Schreibtisch und rieb sich die Augen. »Sie wusste, ich hätte die Scheidung nie durchgezogen, wenn ich von der Schwangerschaft erfahren hätte.«
»Genau. Sie konnte es gar nicht abwarten, mich endlich aus deinem Leben verschwinden zu sehen. Selbst wenn das bedeutete, ihr eigenes Enkelkind aufzugeben.«
Sam wollte es nicht glauben, aber er kannte seine Mutter. Sie hatte ihr gesamtes Leben damit verbracht, Menschen und Ereignisse zu ihrem Vorteil zu manipulieren, inklusive ihm.
Was ihn direkt zur nächsten Frage brachte. »Wie viel?«
»Ist das nicht egal?«
»Nein, ist es nicht.«
»Na gut. Zweihundertfünfzigtausend im Voraus und fünftausend jeden Monat, bis sie achtzehn ist oder bei dir einzieht, was auch immer eher eintrifft. Dazu die Übernahme sämtlicher Ausgaben für sie. Im Gegenzug musste ich nach New York ziehen und versprechen, dass du niemals von Kelly erfahren würdest.«
Er war wie betäubt. »Und warum jetzt?«
»Weil ich mir in den letzten zwölf Jahren den Arsch aufgerissen habe, Sam. Ich war zwei Mal mit reichen Männern verheiratet, und ich habe mir weiß Gott jeden Cent meiner Abfindung verdient. Endlich habe ich finanzielle Sicherheit und bin bereit, mein Leben zu leben.«
»Und Kelly steht dir dabei im
Weitere Kostenlose Bücher