Eine Marcelli geht aufs Ganze
konnte. Er hatte ihr mehrmals angedroht, das Sorgerecht für mich einzuklagen, aber sie hat sich nicht einschüchtern lassen. Sie hatte Geld und Macht und war vollkommen furchtlos.«
Sein Tonfall verriet, dass er das nicht als Kompliment meinte.
»Mit zehn Jahren hatte ich bereits gelernt, allem zu misstrauen, was sie sagte. Sie log, weil es ihr gefiel. Weil es funktionierte. Als ich etwas älter war, schickte sie mich aufs Internat. Die Ferien verbrachte ich bei Gabriel. Nach dem College bin ich nach Europa geflüchtet, wo ich Tanya getroffen habe.« Er hob sein Glas. »Eine Anwärterin auf den Titel der Miss California, weit gereist, aber nicht reich. Sie wollte Geld, ich wollte ...« Er zuckte mit den Schultern. »Wir haben uns kennengelernt, uns verliebt – so glaubte ich zumindest – und zwei Monate später geheiratet. Meine Mutter war fuchsteufelswild.«
»Mochte sie Tanya nicht?«
»Sie hassten einander, weil sie sich so ähnlich waren. Dank einer Laune des Schicksals bin ich bis nach Frankreich gereist, um eine Frau zu finden, die genau wie meine Mutter ist.« Er neigte den Kopf zur Seite. »Du könntest vermutlich eine Abhandlung über mich schreiben.«
Sie zuckte innerlich zusammen. »Es passiert andauernd, dass Menschen sich in jemanden verlieben, der einem ihrer Elternteile ähnelt. Wenn dieser Elternteil ein guter, liebevoller Mensch ist, funktionieren die Beziehungen meistens sehr gut.«
»Wenn die neue Frau aber lügt und manipuliert, tut es das nicht. Ich brauchte drei Monate, um meinen Fehler zu erkennen. Zu dem Zeitpunkt war meine Mutter schon vollauf damit beschäftigt, das Ende meiner Ehe einzuläuten. Ich war hin- und hergerissen: Sollte ich mich um mein eigenes Glück kümmern oder tun, was sie wollte? Diese Rebellion gegen meine Mutter führte dazu, dass ich noch weitere sechs Monate an der Ehe festhielt. Dann zog ich einen Schlussstrich. Tanya war nur auf eine dicke Abfindung aus. Keinem von uns wurde das Herz gebrochen.«
Er erzählte die Geschichte so leichthin, als hätte sie keine Bedeutung mehr. Da es schon zwölf Jahre her war, hatte Francesca auch keinen Zweifel, dass Sam längst darüber hinweg war. Er hatte mit seinem Leben weitergemacht. Bis Kelly auf einmal vor der Tür gestanden hatte und die Vergangenheit wieder lebendig wurde.
»Als deine Mutter herausfand, dass Tanya schwanger war, bot sie ihr Geld, um sie von dir fernzuhalten«, schloss Francesca.
Er nickte. »Hätte ich von der Schwangerschaft gewusst, hätte ich die Scheidung erst mal auf Eis gelegt. Zumindest bis zur Geburt des Kindes.« Langsam wurde ihm bewusst, was in der vergangenen Stunde geschehen war. »Ein Baby. Ich kann es immer noch nicht fassen.«
»Sie ist kein Baby mehr.«
»Da hast du recht.« Er richtete sich auf. »Also, was mach ich nun mit ihr? Bist du sicher, dass sie noch nicht alt genug ist, um allein zu bleiben, wenn ich arbeite?«
Francesca schüttelte den Kopf. »Sie ist ganz sicher in der Lage, sich ein paar Stunden um sich zu kümmern, aber ich würde sie nicht den ganzen Tag hier alleine lassen. Sie tanzt Ballett. Das ist doch schon mal ein Anfang.«
»Stimmt. Sie hat etwas von einem Kurs oder so erwähnt. Das wird sie ein paar Stunden beschäftigen. Und dann?«
»Dann lernst du sie kennen.«
»Aber was isst sie? Wie viel? Was ist mit Kleidung? Sie will einen DVD-Player. Sollte ich ihr einen kaufen?«
Sie hob die Hand, um ihn zu unterbrechen. »Du kannst nicht alle Probleme auf einmal lösen. Wenn einem ohne Vorwarnung ein Kind in den Schoß fällt, stellt einen das vor einige logistische Herausforderungen. Geh sie eine nach der anderen an.«
Er grinste. »Logistische Herausforderungen? Ist das die professionelle Bezeichnung dafür?«
»Ja, und ich hoffe, du weißt es zu schätzen, dass ich dir all diese Informationen umsonst zukommen lasse. Ich bin eine hoch bezahlte Psychologin.« Sie grinste. »Na ja, das werde ich in ungefähr achtzehn Monaten hoffentlich sein.«
Er drehte sich ein wenig herum, sodass er sie ansehen konnte. Nachdem er sein Glas auf dem Couchtisch abgestellt hatte, legte er seinen Arm auf die Sofalehne und berührte mit den Fingern Francescas Schulter.
»Du bist wundervoll. Und, ja, das weiß ich wirklich zu schätzen.«
»Ich habe doch gesagt, dass es mir nichts ausmacht, dir zu helfen.«
Was sie ihm nicht sagte, war, dass er ihr durch sein Verhalten in dieser Situation nur noch sympathischer geworden war. Er sah nicht nur gut aus und war toll im Bett.
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