Eine Marcelli geht aufs Ganze
ersten Mal fiel Francesca auf, dass ihre Großmutter eine alte Frau war. Der Schmerz betonte die Falten in ihrem Gesicht und zog ihre Mundwinkel nach unten.
Grandma Tessa saß allein in einem Sessel am Kamin. Grandpa Lorenzo stand neben ihr.
Alle schauten auf, als Francesca, ihre Schwestern und Zach eintraten. Grandpa Lorenzo runzelte unwillig die Stirn.
»Das hier geht euch nichts an.«
Francesca ignorierte ihn und ging zum Sofa. Dort quetschte sie sich neben Grammy M und nahm deren zarte Hand in ihre. »Ist mit dir alles in Ordnung?«
Ihre Großmutter versuchte sich an einem leichten Lächeln. »Ich wusste, dass es eines Tages ans Licht kommen würde. Keiner von uns wollte euch Mädchen verletzen. Das müsst ihr uns glauben.«
»Mary-Margaret!«, rief Grandpa Lorenzo. »Wirst du wohl still sein!«
Grammy M zuckte zusammen.
Francesca stand auf und wandte sich an ihren Großvater. »Es ist schon viel zu lange geschwiegen worden. Wir sind alle Teil dieser Familie. Du kannst uns drohen, Grandpa, aber du kannst uns nicht verscheuchen. Wir wollen wissen, was los ist.«
Ihre Eltern tauschten einen Blick. Grandma Tessa sah ihren Ehemann an. Grammy M nickte langsam.
»Ja, es ist an der Zeit«, sagte sie leise.
»Das finde ich auch.« Francescas Vater erhob sich. »Es ist schon längst überfällig.«
13. KAPITEL
E s dauerte ein paar Minuten, bis jeder einen Platz gefunden hatte. Francesca saß zwischen Brenna und Grandma Tessa auf dem Sofa. Ihre Mutter teilte sich mit Grammy M die eine Chaiselongue und Katie und Zach die andere. Nur Lorenzo und sein Sohn standen jeder für sich allein da.
Beide warfen sich quer durch das Wohnzimmer finstere Blicke zu. Die Spannung in der Luft war beinahe greifbar. Francesca fragte sich, wie lange dieses heikle Thema schon vermieden wurde – wie viele Jahre ihre Familie benötigt hatte, um endlich reinen Tisch zu machen. Sie und ihre Schwestern hatten immer gewusst, dass es in der Familie Geheimnisse gab, aber sie hatten angenommen, es handle sich um alberne, unwichtige Sachen, die vielleicht ganz interessant waren, aber keinen Einfluss auf ihr Leben hatten. Da hatten sie sich gründlich geirrt.
Den Blick immer noch auf seinen Vater geheftet, fing Marco an zu sprechen. »Ihr Mädchen wisst, dass eure Mutter und ich schon in der Highschool miteinander ausgegangen sind.«
Alle drei nickten. Francesca sah, wie ihr Vater den Blick von Grandpa Lorenzo löste und auf seine Töchter richtete. Er lächelte jede von ihnen an. Sie erkannte die Liebe in seinen Augen und das unausgesprochene Versprechen, dass sie verkraften würden, was auch immer er zu sagen hatte. Ihre Anspannung löste sich ein wenig.
»Wir waren jung und sehr verliebt.« Er schaute seine Frau an, die ihm trotz der Tränen in den Augen ein warmes, zärtliches Lächeln schenkte.
»Was ihr nicht wisst, ist, dass unsere Familien gegen diese Beziehung waren.«
Francesca richtete sich auf. Sie schaute zu Brenna, dann zu Katie. Ihre Schwestern wirkten genauso überrascht wie sie. Sie drehte sich zu Grammy M um, um eine Bestätigung für das zu bekommen, was ihr Vater gerade gesagt hatte.
»Du warst mit Daddy nicht einverstanden?«, fragte sie.
Nervös verschränkte Grammy M die Hände im Schoß. »Das war vor langer Zeit, Liebes. Damals war einiges anders.«
Grandma Tessa zuckte mit den Schultern. »Wir wollten ein gutes italienisches Mädchen für unseren Marco.«
»Aber das war in den 70ern. Haben die Leute damals wirklich noch Wert auf so was gelegt?«, fragte Brenna.
Traurig lächelte ihre Mutter sie an. »Mehr als du ahnst. Auf deinen Vater und mich wurde sehr viel Druck seitens unserer Familien ausgeübt, damit wir einander nicht mehr trafen. Wir haben beide mit unseren Eltern gestritten. Am Ende haben wir so getan, als würden wir klein beigeben, damit wir unsere Ruhe hatten. Von da an haben wir uns nur noch heimlich getroffen.«
Grandpa öffnete den Mund, um etwas zu sagen, aber sein Sohn schnitt ihm das Wort ab.
»Ich erzähle die Geschichte«, sagte Marco.
Grandpa Lorenzo zögerte, dann nickte er.
Brenna rutschte näher und nahm Francescas Hand. Francesca versuchte, ihr beruhigend zuzulächeln, befürchtete aber, dass ihr das fürchterlich misslang.
»Eure Mutter war erst sechzehn, als wir entdeckten, dass sie schwanger war.«
»Er hat mir sofort einen Antrag gemacht«, warf Colleen ein. »Wir wollten sowieso heiraten, aber das hat unseren Zeitplan ein wenig durcheinandergebracht.
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