Eine Marcelli geht aufs Ganze
und jegliche Verantwortung abgegeben. Der Staat gab ihn eher an Fremde, als ihn zu einer Mutter zurückzubringen, die keinerlei Interesse daran gezeigt hatte, ihr Kind selbst großzuziehen.
Grandma Tessa holte ihren Rosenkranz aus der Tasche und fing an zu beten. Grandpa Lorenzo war merklich blass geworden. Sam fuhr mit seinem Bericht fort.
»Nach der Highschool ist Joe zur Navy gegangen. Sie haben ihn sofort in die OCS gesteckt, die Schule für Offiziersanwärter. Ein Jahr nach dem Abschluss hat er die Ausbildung zum Navy Seal angefangen. Und das ist auch sein heutiger Job. Er ist ein Seal.«
»Hast du ein Foto?«, fragte Colleen.
Sam zog es aus der Mappe heraus und reichte es ihr. Sie schaute es sich eine gute Minute lang an, bevor sie die Augen schloss.
Francesca nahm ihr das Foto ab. Ein Mann Ende zwanzig starrte sie an. Sie sah die Ähnlichkeit sofort, die Mischung aus irischen und italienischen Gesichtszügen. Er sah seinem Vater ähnlicher als seiner Mutter und war ein gut aussehender Mann. Ein Fremder, der ihr Bruder war.
Brenna schaute ihr über die Schulter. »Er ist wirklich einer von uns.«
»Gab es daran je einen Zweifel?«, fragte Francesca.
»Ich hatte es ein wenig gehofft«, gab Brenna zu.
»Ihr wollt die Verwandtschaft sicher mit einem DNA-Test bestätigen«, sagte Sam, »aber es war nicht schwer, ihn aufzutreiben. Er ist der fehlende Marcelli.«
»Wir müssen sofort mit ihm in Kontakt treten.« Grandpa Lorenzo nahm das Foto in die Hand. »Ihm sagen, wer er ist. Er hat hier eine Geschichte. Ein Erbe.«
»Eine Erbschaft«, murmelte Brenna.
Der alte Mann nickte.
»Ich weiß nicht.« Colleen schüttelte den Kopf. »Es ist so lange her. Er hasst uns bestimmt.«
»Nein, das tut er nicht«, beruhigte sie ihr Ehemann.
»Was auch immer er für uns empfindet, es wird ein Schock für ihn sein, von uns zu hören«, sagte Francesca. Sie fragte sich, wie es wohl sein mochte, zu erfahren, dass man irgendwo eine ganze Familie hatte. »Joe Larson hat sein ganzes Leben in völliger Unkenntnis über uns verbracht. Er wird Zeit brauchen, um das alles zu verarbeiten. Ihr könnt ihn nicht einfach überfallen. Das weitere Vorgehen muss sorgfältig geplant werden.«
»Dazu haben wir keine Zeit«, widersprach Grandpa Lorenzo. »Er gehört zur Familie. Das ist das Einzige, was zählt.«
Brenna stand auf und verließ den Raum ohne ein Wort. Francesca schaute ihr hinterher. Für Brenna bedeutete das Auftauchen des verlorenen Sohnes das Ende eines Traums.
»Francesca hat recht«, sagte ihre Mutter. »Als ich sechzehn war, habe ich auf euch alle gehört und getan, was ihr gesagt habt. Stattdessen hätte ich jedoch auf mein Herz hören sollen. Dieses Mal entscheiden Marco und ich allein.«
»Er ist nicht nur euer Sohn«, warf Grandpa Lorenzo ein. »Er ist auch mein Enkel. Er könnte mein Erbe sein.«
»Nein.«
Colleen und Marco standen auf.
»Du hältst dich da raus«, sagte Colleen bestimmt. »Wir werden unsere Entscheidung ganz alleine treffen.«
Sie wischte ihre Tränen ab und wandte sich an Sam. »Danke, dass du ihn gefunden hast.«
»Es war mir eine Freude, helfen zu können. Ich lasse euch die Kontaktdaten hier.« Er legte eine Visitenkarte in die Mappe und reichte sie Colleen.
Kelly rutschte unruhig hin und her. Francesca schaute sie an und schenkte ihr ein Lächeln. »Alles in Ordnung?«, fragte sie, nachdem ihre Eltern das Zimmer verlassen hatten.
Grandpa Lorenzo grummelte immer noch vor sich hin. Die Grands umarmten einander und wischten sich die Tränen ab.
»Das ist echt komisch«, sagte Kelly. »Mir tun alle irgendwie leid.«
»Ja, Familien sind kompliziert«, stimmte Francesca zu.
»Glaubst du, es gefällt ihm, zu erfahren, dass er eine Familie hat?«
»Ich weiß nicht. Ich hoffe es.«
»Freust du dich darüber?«
»Ich denke, diese neuen Ereignisse werden viele Leben verändern«, erwiderte sie.
Kelly nickte. »So wie an dem Tag, als Tanya mich weggeschickt hat, damit ich bei meinem Dad lebe.« Sie schaute zu Sam, der inzwischen aufgestanden war und sich mit Lorenzo unterhielt. »Anfangs war es komisch, aber es wird immer besser.«
»Das freut mich.« Francesca meinte das ehrlicher, als das Mädchen wissen konnte. Wenn Sam sich an sein Leben mit Kelly gewöhnen konnte, würde er vielleicht beim Gedanken an ein zweites Kind nicht völlig ausflippen. Oder war das reines Wunschdenken von ihr?
Sam berührte Kelly an der Schulter. »Wollen wir dann mal nach Hause?«
Kelly nickte und
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