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Eine Mittelgewichts-Ehe

Eine Mittelgewichts-Ehe

Titel: Eine Mittelgewichts-Ehe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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sieben Jahren wurde ihr Englisch besser, ihr Russisch bekam Übung, und ihr muttersprachliches Deutsch wurde fast ausschließlich mit zwei Freunden gesprochen, die beide in sie verliebt waren und am Ende des Ganges ein Zimmer teilten. Es bedurfte fast dreier Jahre der Bekanntschaft mit ihnen, ehe sie beschloß, mit einem von ihnen zu schlafen, und als sie sah, wie das den anderen mitnahm, schlief sie auch mit ihm. Dann hörte sie auf, mit den beiden zu schlafen, weil es sie zu verletzen schien, aber sie machten ihr weiterhin den Hof, warteten vielleicht darauf, daß sie eine weitere Entscheidung traf und das Ganze wieder von vorn begann. Sie teilten weiterhin das Zimmer. Aber Utsch entschied, daß es ihr - zumindest in diesem Alter - unmöglich war, gleichzeitig mit mehr als einem Menschen zu schlafen, und sie fand einen dritten jungen Mann, gänzlich außerhalb der alten Freundschaft (er war die Zweitbesetzung eines großen Tenors an der Wiener Staatsoper), und schlief eine Weile mit ihm. Als ihre beiden alten Freunde hinter ihre neue Affäre kamen, lauerten sie der Tenor-Zweitbesetzung eines Abends im Labyrinth der Gerüste auf, die den Stephansdom abstützten, und sagten ihm, sie würden ihm die Stimmbänder herausreißen, wenn er Utsch weiter sähe, ohne ihr einen Heiratsantrag zu machen. Das mag kurios erscheinen, aber Utsch hatte an dem kindischen Verhalten ihrer alten Freunde nichts auszusetzen. Sie waren verletzt, und sie würden die Tenor-Zweitbesetzung verletzen, wenn er nicht für etwas bezahlte. Utsch fand stets, daß es keinen Grund für irgendwelche Verletzungen gab, die irgend jemand verhindern konnte, und so sagte sie der Tenor-Zweitbesetzung, er solle ihr lieber einen Antrag machen, wenn er sie wiedersehen wolle. Er wechselte statt dessen das Opernensemble, was sie für eine absolut anständige Art hielt, niemanden zu verletzen, und sie wies das neuerliche, verstärkte Werben ihrer alten Freunde herzlich zurück: »Nein, Willi, nein, Heinrich«, sagte sie zu ihnen. »Jemand würde verletzt werden.«
    Severin, dessen Wahrnehmungen oft zu denen von Utsch parallel verliefen, überraschte uns eines Abends, als wir alle versuchten, darüber zu reden, was unsere Beziehung uns bedeutete. Zumindest Edith und ich versuchten es; Utsch sagte selten viel dazu, und Severin hatte auf seine irritierende zweisprachige Art bloß zugehört. Edith und ich sagten, es sei nicht so sehr der Sex, der unsere gegenseitige Übereinkunft so erregend mache; es sei das Neue an der Begegnung mit jemandem - die alte Romanze war für uns alle mehr oder weniger acht Jahre alt -, das so intensivierend sei.
    »Nein, ich glaube, es ist der Sex«, sagte Severin plötzlich. »Es ist bloß der Sex, und das ist auch alles, was es bei einer solchen Sache sein kann. Es hat nichts sehr Romantisches, jemanden zu verletzen.«
    »Aber wer wird denn auf die Art verletzt?« fragte ihn Edith. Er sah sie an, als wüßten sie beide etwas, das zu eigen war, als daß Utsch und ich es hören durften, aber er hatte Edith bis dahin nichts von »verletzten« gesagt. Wir waren alle übereingekommen, daß, wenn einer von uns aus irgendeinem Grunde unter unserem Vierer litt, die Beziehung enden würde. Wir waren übereingekommen, daß unsere Ehen und Kinder Vorrang hatten. Und da war Severin (Marterqualen vortäuschend?) und warf seine Zweideutigkeiten so achtlos unter uns wie Mäusefutter. Wir waren alle übereingekommen, daß die Beziehung nur gut war, wenn sie für uns alle gut war - wenn sie unsere Ehen intensivierte oder zumindest nichts wegnahm.
    Und wir hatten alle genickt - natürlich, natürlich -, als es Severin am Anfang für nötig zu halten schien, zu sagen: »Sexuelle Gleichheit zwischen zwei Leuten ist eine schwierige Sache, und zwischen vier ... Na ja, nichts ist wirklich gleich, aber man muß es als ziemlich gleich empfinden, sonst kann es nicht weitergehen. Ich meine, wenn es dreien von uns gutgeht und einem schlecht, dann ist die ganze Sache schlecht, stimmt's? Und derjenige, der das Ganze platzen läßt, sollte nicht das Gefühl eingeimpft kriegen, es sei seine oder ihre Schuld, stimmt's?« Ja, wir hatten genickt.
    »Wenn du unglücklich bist, sollten wir damit Schluß machen«, sagte ihm Utsch.
    »Das ist es eigentlich nicht«, sagte er. »Alle anderen sind anscheinend so glücklich dabei.«
    »Na ja, es ist dazu da, die Menschen glücklich zu machen«, sagte Edith.
    »Ja, dazu ist Sex da«, sagte Severin.
    »Nenn es, wie du willst; ich

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