Eine mörderische Hoch-zeit
ernste Stimme passte zu seinem Blick. »Es gibt noch eine Möglichkeit, die wir bisher nicht erörtert haben. Vielleicht wollte sie ja sterben.«
»Sie meinen, dass sie absichtlich eine Überdosis von dem Zeug genommen hat?« Sie hatte bereits selbst diese Möglichkeit erwogen und die dabei in ihr aufgewogten Schuldgefühle lasteten wie klammer Nebel auf ihrem Gemüt. »Weshalb hätte sie das tun sollen?«
Da er ihre Reaktion verstand, griff er sanft nach ihrer Hand. »Sie saß in der Falle. Sie hatten sie geknackt. Sicher war ihr bewusst, dass sie den Rest ihres Lebens im Knast verbringen würde – im Knast«, sagte er noch einmal, »ohne Drogen. Sie wäre alt geworden, hätte ihre Schönheit und alles, was ihr wichtig war, verloren. Es war ein Ausweg, die einzige Chance, jung und schön zu sterben.«
»Selbstmord«, sponn Peabody den Faden weiter. »Die Mischung, die sie eingenommen hat, war tödlich. Wenn sie klar genug war, um in das Labor zu kommen, muss sie auch klar genug gewesen sein, um das zu wissen. Weshalb hätte sie den Skandal, die Inhaftierung und einen nochmaligen Entzug durchstehen sollen, wenn es einen derart schnellen, sauberen Ausweg für sie gab?«
»Ich habe so was schon des Öfteren erlebt«, meinte denn auch Casto. »In den Kreisen, in denen ich mich beruflich bewege, ist das nicht weiter ungewöhnlich. Die Menschen können weder mit noch ohne Drogen leben. Also bringen sie sich am Ende damit um.«
»Sie hat keine Nachricht hinterlassen«, blieb Eve beharrlich bei ihrer Ansicht. »Es gibt keine Botschaft.«
»Wie Sie sagen, war sie mutlos und verzweifelt.« Casto drehte seinen Kaffeebecher in den Händen. »Wenn sie es aus einem Impuls heraus getan hat, wenn sie das Gefühl hatte, sie müsste sofort handeln, wollte sie sich eventuell nicht die Zeit nehmen, noch eine Nachricht zu verfassen. Eve, niemand hat sie gezwungen. Es gibt keinerlei Anzeichen für einen Kampf. Sie hat den Stoff selbst eingenommen. Vielleicht war es ein Unfall, vielleicht aber auch Absicht. Das finden wir wahrscheinlich nie genau heraus.«
»Aber dadurch sind die Mordfälle noch lange nicht geklärt. Nie im Leben hat sie die Taten alleine begangen.«
Casto tauschte einen Blick mit Peabody. »Möglich. Aber Tatsache ist, dass sie unter dem Einfluss der Droge die Kraft dazu hatte. Natürlich können Sie versuchen, Redford und Young noch weiter zuzusetzen. Weiß der Himmel, keiner der beiden sollte in dieser Sache ungeschoren davonkommen. Aber früher oder später müssen Sie die Akte schließen. Sie haben sehr viel erreicht.« Er stellte seinen Becher auf den Tisch. »Also gönnen Sie sich endlich eine Pause.«
»Ach, ist das gemütlich.« Mit roten, verquollenen Augen kam Justin Young durch die Kantine und baute sich drohend vor Eve auf. »Dir kann wirklich nichts den Appetit verderben, nicht wahr, du widerliche Hexe?«
Als Casto sich erheben wollte, hob Eve abwehrend die Hand, verdrängte ihr aufkommendes Mitleid und fragte: »Ist es Ihren Anwälten gelungen, Sie rauszupauken, Justin?«
»Allerdings. Jerry brauchte nur zu sterben und schon wurde ich gegen Kaution auf freien Fuß gesetzt. Meine Anwältin sagt, dass der Fall auf Grund der jüngsten Entwicklungen – so hat die Ziege es genannt – auf Grund der jüngsten Entwicklungen so gut wie abgeschlossen ist. Jerry ist eine mehrfache Mörderin, ein Junkie und obendrein nicht mehr am Leben, aber ich bin aus dem Schneider. Praktisch, finden Sie nicht auch?«
»Finden Sie es praktisch?«, konterte Eve mit ruhiger Stimme.
»Sie haben sie umgebracht.« Er beugte sich über den Tisch und schlug mit seinen Händen derart heftig auf die Platte, dass die Teller klapperten. »Ebenso gut hätten Sie ihr ein Messer in die Kehle rammen können. Sie brauchte Hilfe, Verständnis und ein bisschen Mitleid. Aber Sie haben immer weiter auf Sie eingedroschen, bis sie nicht mehr konnte. Und jetzt ist sie tot. Verstehen Sie?« In seinen Augen schwammen Tränen. »Sie ist tot und Sie werden befördert, weil Sie eine verrückte Mörderin überführt haben. Aber ich habe Neuigkeiten für Sie, Lieutenant. Jerry hat niemanden getötet. Aber Sie. Und auch wenn Sie es sich einbilden, ist der Fall damit noch lange nicht erledigt.« Er holte weit aus, und fegte Teller, Becher und Bestecke krachend auf den Boden. »Ich schwöre Ihnen, der Fall ist noch lange nicht erledigt.«
Er stürmte aus dem Raum und Eve blickte ihm seufzend hinterher. »Der Meinung schließe ich mich an.«
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