Eine mörderische Hoch-zeit
wohl ins Labor schicken.« Sie trommelte ungeduldig mit den Fingern auf dem Schreibtisch. »Wenn mich jemand fragen würde, würde ich die Vermutung äußern, dass dies die Formel für das Pulver ist, das wir gefunden haben, aber wie in aller Welt hat ein zweitklassiger Spitzel wie Boomer sie in die Hand gekriegt? Und für wen hat er beim Drogendezernat geschnüffelt? Woher wussten Sie eigentlich, dass er einer meiner Jungs war, Peabody?«
Verlegen starrte Peabody über Eves Schulter auf die Zahlen auf dem Bildschirm. »Sie haben ihn in mehreren internen Berichten zu abgeschlossenen Fällen erwähnt, Lieutenant.«
»Sie haben also die Angewohnheit, interne Berichte zu lesen, Officer?«
»Ihre, Madam.«
»Und warum?«
»Weil Sie die Beste sind, Madam.«
»Wollen Sie sich einschleimen, Peabody, oder haben Sie es auf meinen Posten abgesehen?«
»Er wird frei werden, sobald man Sie zum Captain macht, Madam.«
»Weshalb denken Sie, dass ich das will?«
»Sie wären dumm, wenn Sie es nicht wollten, und das sind Sie nicht. Dumm, Madam.«
»Okay, belassen wir’s dabei. Lesen Sie auch noch andere Berichte?«
»Hin und wieder.«
»Haben Sie eine Ahnung, für wen bei der Drogenfahndung Boomer tätig gewesen sein könnte?«
»Nein, Madam. Ich habe seinen Namen nie im Zusammenhang mit einem andern Cop gesehen. Die meisten Spitzel haben nur eine Kontaktperson bei uns.«
»Boomer hat lieber auf mehrere Pferde gleichzeitig gesetzt. Also kehren wir zurück auf die Straße, sehen uns in seinen Stammlokalen um und gucken, was sich dort in Erfahrung bringen lässt. Wir haben nur ein paar Tage Zeit, Peabody. Falls Sie also jemanden haben, der Sie zu Hause erwartet, geben Sie ihm besser Bescheid, dass es länger dauern kann.«
»Ich bin ungebunden, Madam. Ich habe also kein Problem damit, Überstunden zu machen.«
»Gut.« Eve stand auf. »Also schwingen wir die Hufe. Und, Peabody, wir haben inzwischen nackt in einem Raum gesessen. Also tun Sie mir bitte den Gefallen, vergessen Sie endlich all die >Madams< und nennen Sie mich einfach Dallas.«
»Sehr wohl, Madam, Lieutenant.«
Es war bereits nach drei, als sie durch die Haustür wankte, über den Kater stolperte, der beschlossen hatte, die Eingangshalle zu bewachen, und sich blind in Richtung Treppe tastete.
Sie hatte Dutzende von Eindrücken im Kopf: schummrige Kneipen, Strip-Lokale, nebelverhangene Straßen, in denen heruntergekommene Gesellschafterinnen ihre Körper feilboten. Sie alle wogten hin und her und bildeten einen wenig appetitlichen Brei dessen, was offenbar Boomer Johannsens Leben gewesen war.
Natürlich hatte niemand irgendwas gewusst und niemand irgendwas gesehen. Das Einzige, was sie während ihrer Tour durch die Gossen der Stadt hatte in Erfahrung bringen können, war, dass bereits seit über einer Woche, vielleicht sogar noch länger, niemand mehr etwas von Boomer gehört oder gesehen haben wollte.
Irgendjemand jedoch hatte wesentlich mehr als Boomer nur gesehen. Sie musste herausfinden, wer und warum, doch die Zeit lief ihr davon.
Im Schlafzimmer herrschte gedämpftes Licht. Sie hatte bereits ihr Hemd über den Kopf gezogen, als sie merkte, dass niemand im Bett lag. Zunächst wallte Enttäuschung, dann jedoch echte Panik in ihr auf.
Offenbar hatte er fortgemusst, sagte sie sich. Wahrscheinlich war er gerade jetzt irgendwo im Universum unterwegs. Vielleicht wäre er erst in ein paar Tagen wieder da.
Mit einem elenden Blick in Richtung Bett stieg sie erst aus ihren Schuhen und dann aus der Hose, tauchte mit dem Kopf in eine Schublade, zog ein Baumwollunterhemd heraus und zerrte es sich über den Kopf.
Gott, sie war ein jämmerliches Wesen. Wie konnte es sie derart treffen, dass Roarke seiner Geschäfte wegen ein paar Tage unterwegs war? Dass sie sich nicht an ihn schmiegen konnte. Dass er nicht in der Nähe war, um die Träume abzuwehren, die sie umso stärker und auch umso öfter plagten, je mehr Erinnerungen an die Kindheit auftauchten.
Sie war sowieso zu müde, um zu träumen, versuchte sie sich zu beruhigen. Zu müde, um zu grübeln. Und vor allem stark genug, um die schlimmen Dinge, die sie verdrängen wollte, tatsächlich zu verdrängen.
Sie drehte sich um, um in ihr Büro hinaufzugehen, als jemand durch die Tür kam und, ähnlich einem Gefühl der Scham, heiße Erleichterung in ihr aufstieg.
»Ich dachte, du wärst weg.«
»Ich saß noch an meinem Schreibtisch.« Roarke ging durch das Zimmer und im Dämmerlicht des Raumes bildeten
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