Eine mörderische Karriere
Sie war direkt von der Arbeit gekommen und hatte deshalb ihren eigenen Wagen dabei. Und als Pat sich im Haus umgesehen hatte, nachdem der letzte Gast gegangen war, waren keine Mäntel mehr da. Am folgenden Tag rief Simon an, um sie zu fragen, ob Georgia noch einmal zurückgekommen sei. Erst da hatte Pat erfahren, daß Georgia nach der Party nicht nach Hause gekommen war.
Simon hatte gesehen, wie Georgia aus der Tür ging und ihren Regenmantel anzog, da es angefangen hatte zu regnen. Seitdem war sie nicht mehr gesehen worden. Sowohl Simon als auch Pat hatten sich bei anderen erkundigt, ob sie Georgia mit jemandem hatten Weggehen sehen, oder ob ihr jemand nach draußen gefolgt war. Niemand erinnerte sich. Und das sei keineswegs überraschend, meinte Pat, es sei eine dieser Partys gewesen, auf der die Gäste sich aus irgendeinem Grund unwohl fühlten. Leute, die einander mögen und ihren Spaß haben wollen, fangen dann an, zuviel zu trinken, und auf der Party herrscht eine leicht hysterische, peinliche Stimmung, da diejenigen, die den Alkohol nicht vertragen können, sich blamieren und der Rest versucht nicht darauf zu achten. Vielleicht, hatte Pat gesagt, sei es auch ihre Schuld gewesen, daß die Party nicht sehr vergnüglich war. Sie hatte nicht viel Essen serviert, das Abendbrot kam spät und war nicht sonderlich interessant — Aufschnitt, viel Obst und Rohkost. Sie sei nicht in der Stimmung gewesen, sich viel Arbeit zu machen. Die Party war eine Art spontaner Einfall. Das glich sie durch den Alkohol wieder aus, ganze Batterien verschiedener Scotch- und Roggenwhiskymarken, Gin und Wodka. Die Leute seien allmählich nicht mehr an harte Getränke gewöhnt, viele tränken jetzt nur noch Wein oder Mineralwasser, speziell wenn ihnen noch die lange Heimfahrt in die Stadt bevorstand. Und da war noch das Wetter. Obwohl der Sommer schon begonnen hatte, schien in jener Nacht fast der Winter zu einer kurzen Stippvisite zurückgekommen zu sein, zumindest war es ein seltsam kalter Vorgeschmack auf den Herbst. Das im Verein mit dem drohenden Gewitter hielt die Leute zwangsweise in dem überfüllten Raum fest, dabei sollte die Party eigentlich draußen auf dem Deck I stattfinden. Oder vielleicht, sagte Pat, hatte sie keine gute Mischung von Leuten eingeladen. Vielleicht waren es zu viele Vierziger und Fünfziger gewesen. Nicht genug jüngere Leute, um jedem das Gefühl zu geben, man sei jung und schön und gehöre zu den Alles-ist-möglich-Leuten . Vielleicht hatten sie sich umgeschaut und andere entdeckt, die genauso ausgelaugt aussahen wie sie selbst. Deshalb tranken sie zuviel, und wenige konnten sich noch genauer an die Party erinnern, außer daß es für eine Frühsommernacht zu kalt war, dazu kamen noch die gelegentlichen kurzen Schauer. Morgens um zwei war ein schreckliches Gewitter losgebrochen, so daß viele beim Nachhausekommen Wasserpfützen in ihren Häusern vorgefunden hatten, wo Fenster offenstanden, und am Sonntagmorgen gaben überflutete Gärten und Bäume, von deren Blättern es nur so tropfte, den passenden Hintergrund zu dem unvermeidlichen Kater ab.
Simon war natürlich ohne Georgia aufgewacht. Er hatte die Polizei angerufen, all ihre Freunde, sogar Jane, die Georgia seit einigen Monaten nicht gesehen hatte. Seitdem hatte er sich immer wieder gemeldet, um zu fragen, ob sie irgend etwas gehört hatte, und war immer unglücklicher geworden. Sicher, sobald die Leute erfuhren, daß es keinen Autounfall gegeben hatte, wäre der erste Gedanke normalerweise gewesen — hätte es sich nicht um Georgia gehandelt — daß sie die Party mit einem anderen verlassen hatte und nicht zu ihrem Ehemann zurückgekehrt war. Und vielleicht lebte sie jetzt bei diesem Jemand, einem Mann oder auch einer Frau, und war seit ihrem Verschwinden nicht fähig, für die Konsequenzen einzustehen. Und die Menge dessen, was sie an jenem Abend getrunken hatte, ließ solche Mutmaßungen glaubwürdig erscheinen.
Aber nicht Georgia — das war das Problem. Jeder, nur nicht Georgia. Denn es gab keinen einzigen Menschen, der Georgia Arnott kannte und glaubte, daß sie sich so verhalten haben sollte. Und diese allgemeine Überzeugung, die von sämtlichen Freunden, Bekannten und Kollegen geteilt wurde — daß die wahrscheinlichste Erklärung nicht zutreffen konnte, wenn die fragliche Person Georgia war — , war vielleicht der bezeichnendste Hinweis darauf, daß es sich bei Georgia Arnott um eine höchst ungewöhnliche, eine äußerst
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