Eine mörderische Karriere
sie vor: » Linguine aus frischen Eiern und ungebleichtem Mehl in eigener Küche zubereitet, Pesto-Sauce , winzige Golfkrabben, sonnengetrocknete Tomaten, oder, wie wär’s, Vollsahne — «
»Das reicht.« Jane lachte. »Ich habe verstanden, ich nehme den Salat...«
Inzwischen hatte Jane sich von ihrer intensiven Reaktion auf Georgia erholt. Sie war dankbar, daß Georgia es gespürt und geredet hatte, bis sie sich wieder fing. Jane entspannte sich, und es entwickelte sich eine flüssige Unterhaltung zwischen den drei Frauen. Jane stellte fest, daß sie Georgia sehr gern reden hörte, vielleicht weil sie so unbekümmert sprach. Aber da war noch mehr: Jane kam es vor, als sei eine überlebensgroße Powerfrau X aus dem neunzehnten Jahrhundert, eine Charlotte Brontë oder George Eliot, in ihre Welt getreten und habe einen völlig anderen Duft mitgebracht — einen Duft, den Jane, wie ihr bewußt wurde, schon lange hatte einsaugen wollen, in tiefen Zügen, wie frische Luft.
Was für ein seltsames Bild, wenn man jemanden kennenlernt, hatte sie damals gedacht. Und jetzt, bei der Erinnerung, dachte sie, daß sie sich in gewisser Weise tatsächlich bei der ersten Begegnung in Georgia verliebt hatte. Sie waren gute Freundinnen geworden, und Jane hatte in den ersten Monaten ihrer Freundschaft viel Zeit mit ihr verbracht, auch um zu ergründen, worin das Geheimnis von Georgias außergewöhnlicher Anziehungskraft bestand. Und dann, wie bei allen Verliebtheiten, hatte sich die Intensität ihrer Empfindungen für Georgia abgeschwächt, und sie hatten sich immer seltener getroffen. Möglicherweise war sie ein wenig eifersüchtig, als Georgia sich in Simon verliebte und die beiden heirateten. Es war die erste Ehe für Georgia, die damals vierunddreißig war. In ihrem Leben hatte es zwar schon Männer gegeben, aber nicht viele. Georgia war zu ernst für lockere Beziehungen. Jane war gerührt gewesen von Georgias — war es Reinheit? War es das? Georgia schien von Neugier und Liebe getrieben zu sein. Und niemals, so kam es Jane vor, von den geheimnisvollen, dunklen Begierden, die sie selbst dazu trieben, sich und anderen weh zu tun, niemals von Ehrgeiz, von dem Wunsch, gegen jemanden zurückzuschlagen, der sie gedemütigt hatte. Georgia schien sich nicht wie Jane, in diesem ewigen Kampf aufzureiben, die gemeinen Dinge, die sie oft tun wollte, nicht zu tun.
Jane begriff nicht, was Georgia meinte, als diese ihr sagte, sie habe Respekt vor ihr, weil Jane Regeln für sich aufstellte und sich daran halte: nicht mit verheirateten Männern zu schlafen, weil sie es falsch fand; nicht mit Leuten zu schlafen, die sie nicht mochte, weil sie wußte, daß sie das herunterziehen würde; im Beruf so fair wie möglich zu handeln und ihren Freunden gegenüber loyal zu sein. »Aber ich mache das alles aus ganz eigennützigen Motiven«, hatte Jane geantwortet. »Nicht, weil ich es will. Ich muß mich zwingen, mich zu benehmen, sonst wäre ich wirklich scheußlich.« Aber Georgia hatte ihr widersprochen. »Nein, du bist ungerecht dir selbst gegenüber«, meinte sie. »Es ist falsch von dir, mich zu loben und dich überhaupt nicht. Ich tue nichts Schlechtes, weil ich es nicht will, es nicht ertragen kann, genauso wie ich Gewaltfilme nicht durchstehe. Es ist eine Art und Weise von Allergie. Im Himmel kriegst du keine Belohnung dafür, wenn du nicht tust, was du nicht tun willst.«
Ich werde sie finden, dachte Jane jetzt. Es kann unmöglich gefährlich sein, sie zu suchen. Da war Jane ganz sicher.
Jane saß an Georgias Schreibtisch und schaute aus ihrem Fenster. Hinter dem Parkplatz erstreckte sich ein Grasstreifen, der struppig, aber sehr grün aussah, als hätte man ihn extra wild wachsen lassen und kein Unkraut gejätet, nicht gewässert, um ihn dann anschließend lieblos wieder herzurichten. Vermutlich war das geschehen, als Malcolm die dicht vor dem Konkurs stehende Firma rettete und den Reinigungs- und Wartungsdienst wieder voll einsatzfähig machte, der vernachlässigt worden war.
Hinter dem Grasgürtel konnte Jane einen weiteren Parkplatz sehen und die Mauer eines Schlackensteingebäudes, das Prospero nächster Nachbar im Markham Industriepark war.
Es war wieder ein heißer, heller Tag. Die Sonne schien auf den schwarzen Asphalt hinunter, durch den braunen Dunstschleier aus Abgasen, und spiegelte sich auf dem Chrom und Glas der dort abgestellten Autos. Jane, die es gewohnt war, in einem Büroturm zu arbeiten, mochte es, im Erdgeschoß zu
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