Eine mörderische Karriere
Heißhunger auf Schokolade, und sie kam auf die Idee, Schokoladenplätzchen zu backen, wie es ihre Mutter für sie und ihre jüngeren Schwestern gemacht hatte, als sie Kinder waren. Sie war zum Supermarkt gegangen, hatte die Zutaten gekauft, und jetzt erfüllte der Duft von Schokolade und geschmolzener Butter die Küche. Sie konnte sich nicht mehr erinnern, wann sie das letzte Mal etwas gebacken hatte. Vielleicht bei einem Besuch ihrer Kinder? Vor fünf, sechs Jahren?
Ich werde nicht daran sterben, an dem Kummer, an der Demütigung, sagte sie sich, als sie die Schokolade rührte. Das ist ein Klischee. Ich muß mich nur entscheiden, ob ich ihn noch will, ob er mich noch will, was wir tun werden. In der Rangfolge des Kummers steht es unter dem Verlust der Kinder, es steht darunter, daß Bernie mich verlassen hat, auch wenn ich ihn nicht liebte. Wenn mir nur das Herz nicht mehr so weh täte. Es ist, als wäre physisch etwas damit passiert, als ich diese Gläser auf dem Tisch sah. Als hätte eine Riesenhand in meinen Brustkorb gegriffen und an meinem Herzen gerissen. Ihre Rippen fühlten sich an wie zerdrückt, sie hatte tatsächlich körperliche Schmerzen.
Ihre Gedanken waren zuerst wild im Kreis gegangen, sie hatte immer wieder einzelne Szenen und Vorfälle abgespult und neu gedeutet, so vieles an Toms Verhalten verstanden, was sie vorher nicht verstanden hatte, und gleichzeitig nicht einmal einen Teil dessen verstanden, wie sie früher zu verstehen glaubte. Jetzt drehten sich ihre Gedanken um das Rätsel um Georgia, sie versuchte zu begreifen, wie beides zusammenpaßte . Versuchte zu begreifen, wie Pats Befürchtungen mit dem zusammenhingen, was sie gestern erfahren hatte. Es muß die Party gewesen sein, dachte sie. Pat wollte nicht, daß ich Fragen über die Party stelle, weil Tom da war, weil er früh ging, vielleicht mit einer Frau. Ja, das würde Toms Verhalten erklären, als er über die Party sprach. Jane erinnerte sich mit großer Klarheit an die Art, wie Tom sie ansah, als er damals gesagt hatte: »Ich dachte, Pat hätte es dir erzählt.« Bestimmte Mienen, bestimmte Handlungen von ihm, die sie jetzt begriff, standen ihr so klar vor Augen. Damals hatten sie einen eigenartigen Beigeschmack, den sie nicht verstand. Aber sie hätte niemals, niemals vermutet, daß er sie mit anderen Frauen betrog. Vielleicht war ihr die Möglichkeit, daß er es tat, nicht in den Sinn gekommen, weil sie selbst nicht fremdging.
Bis mittags, als sie am Herd stand und noch immer die Schokolade rührte, war sie schließlich in eine Art Betäubungszustand verfallen.
Ich kenne Tom eigentlich gar nicht richtig, dachte sie. Ich habe einen Fehler gemacht. Ich dachte, Liebe ist eine Mischung aus Freundschaft und sexueller Anziehung, sexueller Übereinstimmung. Die hatten wir, haben wir immer noch. Aber da muß noch mehr sein, etwa was ich für Tom fühlte, als ich nicht mit Malcolm ins Bett schlittern wollte. Vielleicht hatten Männer das nicht. Ihr fiel ein, wie ihre Freundin Kersti ihr einmal gesagt hatte, Männer seien dazu da, Frauen weh zu tun, und Frauen, um Männern weh zu tun. Unter dem Zwang, sich gegenseitig zu brauchen, unter dem Zwang, einander zu verletzen. Es stimmte. Wenn Tom wüßte, wie sie mit Malcolm geflirtet hatte, ihn begehrt hatte, würde er sich verletzt und betrogen fühlen. Wie albern das Jane auch vorkam, da ja nichts passiert war, kein Wort gefallen war, das man als unloyal bezeichnen konnte.
Während sie die Schokolade rührte und das Aroma einatmete, griff sie nach dem Wandtelefon und rief Simon an. Vielleicht hilft mir Simons Charme, dachte sie. Und für Simon konnte sie etwas tun. Er brauchte sie. Mit ihm konnte sie über Georgia reden. Das wäre auch tröstlich.
Simon klang erfreut, von ihr zu hören. »Möchtest du nicht rüberkommen?« fragte sie ihn. »Ich backe Schokoladenplätzchen.«
»Sehr gern. Hast du schon zu Mittag gegessen?«
»Nein.«
»Dann kann ich ja etwas mitbringen. Du kannst mir dann erzählen, was du über Georgia herausgefunden hast, wir essen meinen Lunch und deine Schokoladenplätzchen.«
Er brachte Nudelsalat und Brot mit, und sie aßen am Küchentisch. Simon aß aus Höflichkeit zwei Schokoplätzchen. Jane aß das halbe Blech leer. Sie redete mit Simon über Tom, erzählte ihm zwar nicht, was passiert war, ließ jedoch ein wenig von ihrem Kummer heraus.
»Ich verputze alle diese Schokoplätzchen, weil Tom und ich gestern abend einen scheußlichen Krach hatten. Vielleicht
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