Eine mörderische Karriere
herausfinde, was mit Georgia passiert ist.«
Er war jetzt zwar etwas ruhiger, aber immer noch stocksauer. »Das gefällt mir überhaupt nicht, Jane. Ich werde es nicht vergessen.« Doch Jane war inzwischen über den Punkt hinaus, an dem sie sich noch von irgend jemandem einschüchtern ließ, selbst von Malcolm Morton nicht. Daher nickte sie ihm nur zu und ließ ihn so ganz nach Wunsch in dem Glauben, daß sie seinem Druck nachgab. Dann setzte sie sich in den Sattel, trieb das Pferd zu langsamem Galopp an und ritt zum Haus zurück.
Als sie Hufschläge hinter sich hörte, war ihr Vorsprung schon zu groß, als daß er sie einholen konnte.
Jane hatte Tom gesagt , daß sie am Sonntagabend von ihrem Wochenende auf dem Land zurücksein würde. Sie hatte ihm nicht erzählt, daß sie vorhatte, am Freitagabend bei Malcolm zu essen, oder daß sie am Samstag und Sonntag mit ihm reiten wollte. Sie hatte keine Lust, entweder einen Temperamentsausbruch oder die kalte Wut über sich ergehen zu lassen, womit Tom sonst auf Situationen reagierte, die seine Eifersucht erregten. Tom hatte ihr gesagt, er werde am Sonntagabend von seiner Reise zurückkehren, und sie hatte eingewilligt, sich dann in seinem Haus mit ihm zu treffen. Jetzt überlegte sie, daß er vielleicht auch früher zurückkam, und beschloß, direkt zu seinem Haus zu fahren. Sie hatte genug von Malcolm und Pat. Malcolms Reaktion hatte ihr Angst gemacht, zumal sie noch die Nachwirkungen ihrer nächtlichen Angstattacke spürte und die Einsichten im Kopf hatte, die diese begleitet hatten. Und auch ihr Gespräch mit Pat bereitete ihr Sorgen. Deshalb machte sie nur so lange Zwischenstation bei Pat, wie sie brauchte, um ihre Sachen zu holen und auf Wiedersehen zu sagen, und war am frühen Samstagabend wieder in der Stadt.
Da sie keine Lust hatte zu kochen, kaufte sie auf dem Weg nur etwas Obst und Käse. Als sie schließlich bei Toms Haus auf der MacPherson Avenue anlangte, stand die Sonne schon tief am Himmel. Der Himmel hatte sich bezogen, aber von Zeit zu Zeit brach die Sonne durch die Wolken und sandte lange goldene Strahlen aus, die das bunte Laub an den die Straße säumenden Bäumen oder ein Nummernschild aus Messing hervorhoben oder durch ein Fenster in ein Haus schienen und eine dem Anschein nach anheimelnde Szene beleuchteten. Jane war froh, wieder zurück zu sein.
Sie parkte den Wagen in der Seitenstraße, ließ ihr Gepäck im Wagen und freute sich, als sie Toms Auto sah. Sie betrat von hinten das Haus und rief: »Hey, Tom, hallo, ich bin wieder zu Hause.« Dann bemerkte sie, daß in der Küche zwei Weingläser standen, halb ausgetrunken, und daß eines Lippenstift am Rand hatte. Der Duft von Parfüm hing in der Luft. Sie war seltsam teilnahmslos, als sie das registrierte, ihr Herz begann laut zu klopfen. In ihrer Vorstellung hörte sie Pat sagen: »Du stehst nur da und wartest, daß einer dir die Torte ins Gesicht schmeißt.«
Sie stand in der Küche und wußte nicht, was sie tun sollte. Sie wollte nicht ins Eßzimmer , ins Wohnzimmer oder die Stufen hinaufgehen — aus Angst, was sie dort sehen könnte. Sie merkte, daß sie nicht imstande war, noch etwas zu rufen. Dann hörte sie das vertraute Quietschen, wenn man die Schlafzimmertür öffnete, und wie jemand die Treppe hinunterlief und die Vordertür zuknallte.
Langsam ging sie die Stufen hinauf. Tom saß auf dem Bett. Er hatte nur eine Baumwollhose an, seine Brust war nackt. Seine übrige Kleidung, auch seine Unterhose, waren im Zimmer verstreut. Das Bett war zerwühlt, und das Parfüm, das Jane schon in der Küche gerochen hatte, erfüllte die Luft. Tom hatte die Ellbogen auf die Knie gestützt, den Kopf hielt er in den Händen. Sie stand in der Tür zum Schlafzimmer und nahm alles in sich auf, ihr Herz klopfte, ihr Körper war eiskalt.
Er schaute zu ihr auf, mit ausdruckslosem Gesicht, und als er sprach, klang seine Stimme verärgert, mürrisch. »Du hast gesagt, du kommst nicht vor Sonntag nach Hause.«
Jane setzte sich aufs Bett. Sie wollte eigentlich rausrennen , fliehen, aber ihre Beine waren zu schwach, um sie zu tragen. Außerdem wollte sie instinktiv zu Tom, um sich trösten zu lassen. In den letzten sechs Monaten war er immer ihr Tröster gewesen, wenn ihr schreckliche Dinge passierten. »Tut mir leid«, sagte sie.
»Es war nichts, wirklich, Jane, es war nichts. Ich hätte nie gedacht, daß du — «
»Oh, sag nichts mehr. Ich habe mir das ganze Wochenende über Lügen angehört. Ich kann es
Weitere Kostenlose Bücher