Eine Mutter fuer die kleine Cassie
Tür und lehnte sich seufzend gegen die Wand. Er fuhr sich mit der Hand durchs Haar, und Sharon glaubte, die seidigen Strähnen zwischen ihren Fingern fühlen zu können.
“Ich hätte es wissen sollen.”
Als ihre Blicke sich trafen, sah sie ihm an, welche Vorwürfe er sich machte.
“Du warst beschäftigt, Grant, verreist. Du kannst…”
“Nur mir selbst die Schuld geben”, unterbrach er sie.
“Nein”, erwiderte sie beschwörend. “Du kannst doch nicht jeden Gedanken kennen, den Cassie hat.”
Grant ging ins Wohnzimmer, ohne Sharon noch einmal anzusehen.
Sharon wartete. Sie sollte ihn in Ruhe lassen. Aber … der zutiefst traurige Ausdruck in seinen Augen ließ sie nicht los. Sie musste versuchen, ihm zu helfen. Sie folgte ihm.
Grant spürte es sofort, als Sharon das Wohnzimmer betrat.
“Grant?”
Ihre sanfte Stimme machte alles nur noch schlimmer. Er drehte sich nicht um.
“Bitte, lass mich allein”, sagte er heiser.
“Nein”, antwortete sie leise. “Ich finde, wir sollten reden.”
Sie berührte ihn an der Schulter. Er wirbelte herum, das Gesicht voller Wut und Selbstverachtung. Sämtliche Gefühle, die er in den letzten Jahren unterdrückt hatte, kamen an die Oberfläche und fegten seine antrainierte Beherrschung weg.
“Worüber ge nau sollten wir denn reden?” fragte er scharf und machte einen Schritt auf sie zu. “Darüber, dass ich ein schlechter Vater bin, auch wenn ich mir noch so viel Mühe gebe?
Egal, wie hart ich arbeite, es reicht nicht. Vielleicht haben Hugh und Dorothy recht…” “
“Nein”, unterbrach Sharon ihn laut. “Ich weiß, dass du das ebensowenig glaubst wie ich.”
“Manchmal bin ich nicht mehr sicher, was ich weiß. Und hast du nicht selbst gesagt, dass ich zuviel arbeite und vielleicht damit überfordert bin, Cassie allein aufzuziehen?”
“Ja, das habe ich. Aber ich habe nie behauptet, dass du kein guter Vater bist.”
Seine Brust schmerzte, als hätte sich ein riesiger Schraubstock um sie gelegt. Sie standen fast Nase an Nase. Er fühlte ihre Wärme. Roch das frische Shampoo. Und einen letzten Hauch ihres Parfüms.
Er begehrte sie und gestand es sich ein. Es war ein Verlangen, das er nicht verstand, das er nicht wollte und das völlig unangebracht war. Hastig wandte er sich von ihr ab. Angst stieg in ihm auf, Angst davor, seinen Gefühlen nachzugeben und alles noch komplizierter zu machen, als es ohnehin schon war.
“Geh ins Bett, Sharon”, sagte er mit zusammengebissenen Zähnen.
“Nein. Nicht, solange du dir die Schuld an etwas gibst, das du gar nicht beeinflussen kannst.
Grant, du kannst nicht jeden Gedanken von Cassie kennen. Jede Furcht, jede Unsicherheit”, sagte sie und legte eine Hand auf seinen Rücken.
Ihre Berührung wärmte ihn. “Aber ich sollte es”, knurrte er mit rauer Stimme.
“Du bist nicht Gott.”
Ihre Hand schien ihn zu stützen. Er hätte weggehen, den Raum verlassen sollen. Er konnte es nicht.
“Kein Vater ist allwissend. Warum bist du so streng zu dir, Grant?”
Sie kaum um ihn herum und schaute ihm ins Gesicht. Er wollte ihrem halb forschenden, halb tröstenden Blick ausweichen, aber auch das schaffte er nicht. Ihre Augen beschworen ihn, ihr zuzuhören, ihr zu glauben.
“Cassie kann dankbar sein, dass sie einen Vater hat, der sie so sehr liebt. Sie kann froh, dass sie dich als Vater hat”, sagte sie leise. Als er protestieren wollte, presste sie einen Finger auf seine Lippen. “Glaub mir”, beharrte sie.
Sie streckte sich, um seine Wange zu küssen. Es war eine federleichte Berührung der Lippen, die ihm die Stimme raubte. Was er sagen wollte, blieb ihm im Hals stecken. Sie trat zurück.
“Niemand von uns ist unfehlbar, Grant. Verlang nicht mehr von dir, als einem Menschen möglich ist. Du bereitest dir selbst eine Niederlage. Nicht etwa, weil du unfähig bist, sondern weil du Unmögliches von dir forderst.”
Sie kehrte ihm den Rücken zu und verließ den Raum.
Am Montag morgen war Sharon vor Grant und Cassie in der Küche. Sie ließ Brittany in den Garten und setzte Kaffee auf. Sie rief den Hund wieder herein und wollte gerade die Haferflocken aus dem Schrank holen, als sie Cassie in der Tür stehen sah.
Das Mädchen beobachtete sie stumm. Der Schlafanzug war ihr von der Schulter gerutscht, das Gesicht verschlafen, das lange Haar wirr und zerzaust. “Kannst du mich kämmen, Sharon?” fragte Cassie zaghaft. “Daddy kann es nicht so gut wie du.”
Die schlichte Bitte erfüllte Sharon mit
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