Eine Mutter fuer die kleine Cassie
er nickte.
Sharon hatte tatsächlich recht. Er verbrachte einfach nicht genug Zeit mit seiner Tochter und fühlte sich plötzlich wie der schlechteste Vater der Welt.
“Ja, wirklich”, bestätigte er.
Cassie hopste auf und ab. Brittany bellte. Sharon lächelte, und ihr dankbarer Blick war wie eine zärtliche Berührung.
“Tolle Idee”, lobte sie ihn.
Die Art, wie sie es sagte, gab ihm das Gefühl, einen Kopf größer zu sein. Und zugleich schämte er sich, denn er hatte ihre Bewunderung nicht verdient.
Cassie und Brittany halfen ihm, die Skier und Stöcke herauszuholen. Das kleine Mädchen redete unaufhörlich, und die Hündin sprang dauernd um ihn herum. Nachdem er zum drittenmal fast über die beiden gestolpert war, schickte er sie in Cassies Zimmer, um warme Sachen zu suchen. Als Sharon aus der Bank kam, war er gerade dabei, die Skier zu wachsen.
Sie eilte ins Haus und zog sich um.
“Ich dachte mir, wir fahren zur Deichstraße am Mineral Creek”, sagte er, als Sharon, Cassie und Brittany sich in den Wagen drängten. Cassie quetschte sich neben Sharon auf den Beifahrersitz, Brittany zwischen sie und Grant.
Grant wünschte, es wäre Sharon, deren Wärme er spürte. Hastig verdrängte er den Gedanken und konzentrierte sich aufs Fahren.
Es begann zu schneien, winzige, leichte Flocken, die durch die kalte Luft zu schweben schienen. Hoch über ihnen kreiste ein Adler, dessen Kopf und Schwanzfedern sich strahlend weiß vor dem grauen Himmel abzeichneten.
Als sie ihren Ausgangspunkt erreichten, erklärte Grant seiner Tochter, wie man sich auf Langlaufskiern bewegt. Entrüstet bestand sie darauf, dass sie sich auskenne, schließlich hätte sie vor zwei Jahren schon zwei Skiwanderungen unternommen. Grant war erstaunt, dass sie sich daran erinnerte, und unterdrückte ein nachsichtiges Lächeln, als sie die Hände in die Hüften stemmte und ihn stirnrunzelnd anfunkelte.
“Das waren andere Skier. Diese hier hast du vom Weihnachtsmann und Sharon bekommen.
Du hast sie noch nie benutzt”, sagte er geduldig.
Nachdenklich knabberte Cassie an ihrer Unterlippe. “Okay”, gab sie schließlich nach. “Aber kannst du dich beeilen? Brittany und ich wollen endlich los.” Wie um ihren Worten Nachdruck zu verleihen, sprang die Hündin an ihnen hoch.
Grant sah Sharon an. Sie lächelte ihm augenzwinkernd zu, und das anmutige Spiel ihrer Lippen und Mundwinkel ließ sein Herz schneller schlagen.
Seine Reaktion irritierte ihn, und hastig wandte er sich wieder Cassie zu. Nichts als Einbildung, sagte er sich. Er half seiner Tochter auf die Skier, bis sie ihm mit einem ärgerlichen “Daddy!” klarmachte, dass sie es auch allein schaffte.
Kopfschüttelnd sah Grant seiner Tochter nach, als sie mit heftigen, ruckartigen Bewegungen davonglitt. Schon nach wenigen Metern stürzte sie. Brittany raste hinterher, um ihr das Gesicht abzulecken. Bevor Grant sie erreichte, stand Cassie wieder. Statt zu weinen, lachte sie und strahlte über das ganze Gesicht.
“Sie ist genau wie du in dem Alter”, meinte Sharon mit einem leisen Lachen.
Es hüllte ihn ein und zog ihn an, bis er ihm widerstand. Cassie landete erneut im Schnee. Ihr Aufschrei ging in prustendes Gelächter über. Sie raffte sich wieder auf, biss die Zähne zusammen und sauste mit kraftvollem Schwung davon.
“Wenn sie so weitermacht, wird sie bald so erschöpft sein, dass wir nach Hause müssen”, sagte Sharon ohne jeden Tadel.
Langsam drehte Grant sich zu ihr um. Irgendwie fiel es ihm schwer, ihr ins Gesicht zu sehen, und das beunruhigte ihn. Ihre Nase und Wangen waren von der Kälte gerötet. Die Augen blitzten unter den dichten Wimpern. Rotbraune Locken umrahmten ihr Gesicht. Er hob die Hand, um sie zu berühren. Erst in letzter Sekunde, als ihm bewusst wurde, was er tat, zog er sie zurück und packte beide Skistöcke. “Können wir?” fragte er und stieß sich ab, ohne ihre Antwort abzuwarten.
Läufst du vor ihr davon? Nein, protestierte er. Es gab nichts, vor dem er davonlaufen musste.
Er starrte auf seine Skier, deren Spitzen unter ihm den unberührten Schnee teilten. Dass sein Herz wieder heftiger als sonst schlug, führte er auf die ungewohnte Anstrengung zurück.
Die frische Luft war kalt und klar, erfüllt von Cassies begeistertem Lachen, Brittanys Bellen und dem Krächzen eines Raben, der ihnen vom Ast eines kahlen Baums zusah.
Grant sog die Luft ein und genoss die belebende Kälte auf der Haut und das leise Zischen, mit dem Sharons Skier neben
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