Eine Nacht in Bari
Massari, Corso Vittorio Emanuele, der Präfektur und dem Stauferkastell eine Straße gab, die nach Boemondo di Altavilla, dem Fürsten von Antiochia benannt war. Aber erst in diesem Moment wurde mir die Anordnung dieser Straßen und Plätze zueinander klar, erst in diesem Moment schien sich mir dieser Ort mit Sinn zu erfüllen, jetzt, wo ich die räumlichen Koordinaten erkannte.
Wir ließen die Piazza Massari hinter uns und fuhren am Kastell vorbei. Auf den Monitor starrend, wurde mir klar, was ich immer geahnt hatte, ohne es zu wissen, und zwar, dass links die Via Murat mit dem Polizeipräsidium lag und vor uns der Corso Vittorio Veneto; währenddessen hatten Giampiero und Paolo ihr Gespräch über Bari beendet.
»Kommt, steigen wir kurz aus«, sagte Giampiero, während er seinen Luxuslaster in einen Behindertenparkplatz zwängte.
Mir war nicht ganz klar, weshalb wir hielten und ausstiegen. Ich wollte jedoch nicht fragen, damit nicht auffiel, wie geistesabwesend ich gewesen war.
»Ich bin bestimmt seit zwanzig Jahren nicht mehr beim Kastell gewesen«, sagte Paolo und sah sich um auf der Suche nach Anhaltspunkten, die es nicht mehr gab; da verstand ich, warum wir gehalten hatten. Wir durchquerten die Grünanlage und kamen zu der Mauer, die den Burggraben umgibt. Nur wenige hundert Meter von
der nächtlichen Movida entfernt, war diese Anlage – vielleicht wegen ihrer Nähe zum Präsidium – unverändert geblieben: still, verlassen und ein wenig unheimlich. Die Pflanzen waren zerrupft und auf den Rasenflächen kein einziger Grashalm, sondern nur staubige Erde, die sich im Lauf der Jahre und unter Hunderten von Schuhsohlen verfestigt hatte.
Als wir uns auf das Mäuerchen setzten, merkte ich, dass ich Lust auf eine Zigarette hatte.
»Sicherlich raucht keiner mehr von euch, oder?«, fragte ich.
»Rauchst du etwa noch?«, wollte Paolo wissen und klang dabei, als frage er, ob ich auch Kinder missbrauche.
»Natürlich hat er es sich abgewöhnt. Das Zigarettenkaufen, meine ich.« Giampiero kicherte über seinen alten Scherz, der wie alles an ihm etwas angestaubt war. Er fügte hinzu: »Ich habe immer eine Schachtel im Auto, seit ich aufgehört habe. Zu deinem Glück ist das Auto neu – deshalb sind auch die Zigaretten nicht aus grauer Vorzeit und riechen auch nicht nach Mauleselmist wie die aus meinem alten Auto.«
Er erhob sich von dem Mäuerchen – er schien sich zu freuen, mir diesen kleinen Gefallen tun zu können, und das rührte mich ein wenig -, ging zum Auto und kam mit einer Schachtel Marlboro »Blend 29« zurück. Die Schachtel war noch versiegelt, so dass ich das ganze Ritual genießen konnte: das Aufreißen der Hülle, das Öffnen der Schachtel, das Zerknüllen des Stanniolpapiers, das Herausziehen der Zigarette, das Anzünden.
»Ich kann es nicht fassen, dass du noch rauchst«,
hakte Paolo noch einmal nach, mit derselben leichten, aber deutlich wahrnehmbaren Aggressivität in der Stimme wie vorher.
Ich wollte ihm antworten, dass ich nicht rauchte, sondern höchstens mal eine Zigarette klaute, wenn ich eine fand; dass ich nie welche kaufte, was bedeutete, dass ich an manchen Tagen gar nicht rauchte, und dass zwei, drei Zigaretten am Tag noch nicht Rauchen war.
Aber dann fand ich es absurd, diesen Unsinn zu wiederholen, den ich schon so oft aufgesagt hatte, wenn mir jemand diese Frage gestellt hatte. Ich nahm einen kräftigen, tiefen Zug und antwortete ihm.
»Ja, ich rauche noch. Und ich bin sicher, dass du jetzt um dein Leben gern auch eine rauchen würdest.«
»Da irrst du dich aber«, und seinem Tonfall und seinem Gesichtsausdruck entnahm ich, dass ich mich tatsächlich irrte. Er hatte vor langer Zeit aufgehört und hatte überhaupt keine Lust, wieder anzufangen.
»Wann hast du aufgehört?«
»Kurz nachdem ich weggegangen bin. Bevor bei uns alles verboten wurde. Sagen wir so, ich war bereit, als die Verbote angefangen haben. Heute raucht man nicht einmal mehr im Grünen bei uns.«
»Bei uns« sagte er wie jemand, der von woanders kommt, der woanders hingehört. Das riesige Amerika war für ihn »bei uns«.
Theoretisch hätte es ja auch für mich »bei uns« sein können. Aber ich wusste nicht, wo ich hingehörte und ob ich überhaupt irgendwo hingehörte.
»Leute, ihr seid nie richtige Raucher gewesen. Ich war
es, und deshalb musste ich auch aufhören, bevor es ein schlimmes Ende nahm. Zum Schluss war ich bei zwei Schachteln am Tag angekommen, und dann hat mich ein ukrainischer Hypnosearzt
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