Eine Nacht in Bari
meinen Hund ausführte. Eigentlich nahm ich ihn überallhin mit, vor allem in den ersten Jahren. Wir waren immer zusammen, der Hund und ich.
»Ja, das war hier.«
»Er war schon alt, als ich weggegangen bin. Wann ist er gestorben?«
Das war fünf Jahre nach Paolos Fortgehen gewesen, sechzehn Jahre, nachdem er in irgendeinem einsamen Bauernhof in den felsigen Murge zur Welt gekommen war.
Er hatte ein langes Leben gehabt, der alte Randy, und er war ein glücklicher Hund gewesen.
SECHS
Ich hatte Tiere immer schon gemocht, seit ich klein war. Und seit ich klein war, erklärte ich, dass ich Tierforscher oder Großwildjäger werden wollte. Der ethische und inhaltliche Widerspruch zwischen diesen beiden Berufen war mir entweder nicht klar oder er erschien mir unwichtig. In beiden Fällen hätte ich mich um Tiere – und noch dazu um große – gekümmert, und das genügte mir.
Die Wende trat jedoch ein, als ich Er redete mit dem Vieh, den Vögeln und den Fischen von Konrad Lorenz las. Vor dreißig Jahren hätte ich nicht zu erklären brauchen, wer Konrad Lorenz war und was Er redete mit dem Vieh, den Vögeln und den Fischen genau für ein Buch war, denn damals war beides ein Begriff, ja, sogar so etwas wie eine Mode. Heute erinnert sich kaum noch jemand daran.
Konrad Lorenz war, wie man im Lexikon nachlesen kann, der Begründer der Ethologie, jener Wissenschaft, die sich mit dem Verhalten der Tiere beschäftigt. 1973 bekam er den Nobelpreis, er schrieb wissenschaftliche Arbeiten über die Evolution und die menschliche Aggressivität, lehrte an der Universität Heidelberg, aber vor allem veröffentlichte er populäre Sachbücher über Ethologie, die Mitte der Siebzigerjahre, nachdem er den Nobelpreis
erhalten hatte, sehr erfolgreich waren. Das berühmteste von allen war das erwähnte Er redete mit dem Vieh, den Vögeln und den Fischen , in dem Lorenz seine Erlebnisse mit Tieren schildert. Sein Foto auf dem Umschlag – weißer Bart, weißes Haar und ein verschmitzter Blick – erinnerte an einen alten Onkel, der viel weiß, aber nicht langweilig ist. Einer von denen, die dir Dinge beibringen und dich Sachen machen lassen, die deine Eltern strikt und – deiner Meinung nach zu Unrecht – verbieten würden.
Ich bekam das Buch von meinem Vater geschenkt. Ich las es in zwei Tagen durch und begann dann gleich noch einmal von vorn. Obwohl meine Lieblingskapitel die über Hunde waren, fand ich es generell wunderbar, dass es einen Beruf gab, bei dem man dafür bezahlt wurde (ich ging jedenfalls davon aus, dass man dafür bezahlt wurde, auch wenn Lorenz dazu keine genauen Angaben machte), dass man den ganzen Tag herumsaß und Tieren zusah. Nachdem ich meinen Entschluss gefasst hatte, verkündete ich meiner Familie, ich würde später Ethologe werden und mir in der Zwischenzeit zur Vorbereitung einen Hund besorgen.
Zunächst ging meine Mitteilung vollkommen unter. Ich muss dazu sagen, dass ich als Kind gern Ankündigungen verschiedener Art machte (eine davon war, dass ich von zu Hause weggehen würde), denen meine Eltern keine besondere Aufmerksamkeit schenkten. Was das betraf, so hätte ich auch sagen können, dass ich später einmal Drogendealer werden wollte oder dass ich mir eine Menschen fressende Pythonschlange halten wollte. Ihre Reaktion wäre mehr oder weniger dieselbe gewesen. Sie
waren überzeugt, dass es sich bei meinen Vorhaben um Eintagsfliegen handelte und ich am nächsten Tag sowieso einen neuen Plan aushecken würde – dass ich im Grunde also nur ein harmloser kleiner Aufschneider war.
Meistens hatten sie recht. In diesem speziellen Fall jedoch vergaß ich mein Vorhaben nicht gleich nach der Verkündung. Ich wiederholte stattdessen jeden Tag bei Tisch, dass ich einen Hund bräuchte, um mich auf meine Karriere als Ethologe vorzubereiten.
Der weitaus interessantere Teil dieses Plans fand allerdings außer Haus statt. Ich verbrachte meine Nachmittage damit, mich in Tiergeschäften herumzutreiben, mit den Leuten dort zu sprechen, Informationen über erwartete Welpen einzuholen und Preise zu vergleichen.
Dann begann ich, mein Taschengeld und meine Ersparnisse in Bücher über Hunde zu stecken. Dieses Verhalten fiel auf und wurde von meinen Eltern mit Sorge beobachtet.
Von Zeit zu Zeit fand meine Mutter in dem unordentlichen Zimmer, das ich mit meinem Bruder teilte, ein neues Werk à la Schutz- und Wachhunde , Wie richte ich meinen Dobermann ab? oder Der Selfmade-Tierarzt . Einmal kam ich ins Zimmer, als sie
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