Eine Nacht in Bari
ordnungsgemäß erteilt worden waren und dass es sich in Wirklichkeit um eine Bausünde riesigen Ausmaßes handelte. Daraufhin waren die Gebäude beschlagnahmt und eine juristische Schlacht eröffnet worden, die mit allen dazugehörigen politischen und journalistischen Kontroversen beinahe zehn Jahre lang geführt wurde.
An einem sonnigen Frühlingstag des Jahres 2006 wurde schließlich die Uferpromenade für den Verkehr gesperrt, der größte der drei Wolkenkratzer mit Hunderten von Sprengstoffladungen gefüllt, und um 10.31 Uhr, mit nur einer Minute hinter Plan, fiel der Turm vor Zehntausenden von Zuschauern und Fernsehteams in sich zusammen in einer unverständlichen, unwirklichen Stille, aus der nur eine riesige Staubwolke aufstob, die aussah wie Puder. An den folgenden Tagen wurden auch die anderen beiden Gebäude gesprengt; die Stadt erhielt ihre Silhouette zurück, und auf dem freien Platz wurde ein schöner Park angelegt.
Manchmal laufen die Dinge auch tatsächlich so, wie sie sollten – das nur am Rande.
»Ich habe mir den Abriss im Satellitenfernsehen angeschaut, und dann gleich noch mal im Internet. Unfassbar – ich konnte es kaum glauben, dass ihr in Bari so was tun würdet.«
Ich schluckte den leichten Unwillen hinunter, den mir dieser Satz bereitete, und unterdrückte den Impuls, ihm etwas Sarkastisches über seine Worte zu sagen und die unterschwellige verbale Distanzierung von der Stadt, in der er immerhin geboren und aufgewachsen war. Wir fuhren also schweigend am Parco Perotti vorbei und wendeten am Ende der vierspurigen Straße, um wieder in Richtung Stadt zu fahren.
Der Blick, den man auf Bari hat, wenn man nachts und von Süden kommt, gefällt mir am besten. Das Meer ist dunkel, aber nicht bedrohlich, man hat die Linie der Uferpromenade vor sich und die des Hafens, die voller Lichter und Verheißungen sind; man sieht die höheren Gebäude wie den Turm der Provinzverwaltung, den Glockenturm von San Sabino sowie das Motta-Hochhaus, das an der Stelle des allerersten Hauses des Murat-Viertels errichtet wurde, und sie alle geben der Silhouette einen Rhythmus. Man sieht die gusseisernen Straßenlaternen und die Kanalrohre, die ins Meer münden. Das zusammen vermittelt, wenn man von dieser Seite kommt, den Eindruck einer kleinen, freundlichen und herzlichen Metropole.
Und das ist schön.
Die Strecke an der Strandpromenade entlang legten wir noch ziemlich schnell zurück, dann wurden wir jedoch immer langsamer, weil der Verkehr zunahm, je näher wir dem Margherita kamen. Als wir den Corso Vittorio Emanuele erreichten, war das Chaos perfekt: Autos, Motorräder,
Verkehrspolizisten, die versuchten, die in der zweiten Reihe Parkenden zu verscheuchen, Trauben von Jugendlichen, die über die Gehsteige quollen, Musik, die aus den offenen Autofenstern und aus Ghettoblastern dröhnte.
Der riesenhafte SUV rollte, wie alle anderen Autos, in Schrittgeschwindigkeit vorwärts.
Paolo wunderte sich immer mehr.
»Wo kommen die Menschen denn auf einmal alle her? Was ist mit dieser Stadt passiert? Hat hier eine Bevölkerungsexplosion stattgefunden, oder was war da los?«
»Kaum zu glauben, nicht wahr? Das ist schon seit etwa zehn Jahren so, seit sie die Altstadt neu hergerichtet haben«, sagte Giampiero.
»Sie kommen jetzt alle hierher, auch weil es in den Vororten keine dunklen Ecken mehr gibt«, fügte ich hinzu, um einen soziologisch-anthropologischen Beitrag zur Unterhaltung beizusteuern.
»Was soll das denn bedeuten?«, fragte Paolo.
Es bedeutete, dass in der Zeit, als wir jung waren, die Straßenbeleuchtung nicht gerade perfekt war und dass es deshalb eine Reihe von wunderbar dunklen Örtlichkeiten gab, die sich abends mit heftig wackelnden Autos füllten, in denen Jugendliche ihre Hormonstürme auslebten. Sie parkten auf den Kiesbänken am Ende des Lungomare Perotti; in einigen dunklen Gässchen von Mungivacca, Palese oder Santo Spirito; in der Nähe des Pinienwäldchens von San Francesco; beim Leuchtturm von San Cataldo, in den hintersten Winkeln des Stadtteils San Girolamo, als dieser Stadtteil noch ein wilder Ort war, den nur Schmuggler, Huren und Besucher des ABC-Kinos
betraten. Gruppen, die einander normalerweise ignorierten.
Mittlerweile sind die Kiesbänke des Lungomare Perotti zum alleinigen Revier der Prostituierten geworden; die Gegend um das Pinienwäldchen ist unerträglich hell ausgeleuchtet, und dasselbe gilt für den Leuchtturm, der noch dazu eingezäunt ist. Der ganze Stadtteil hat
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