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Eine Nacht in Bari

Eine Nacht in Bari

Titel: Eine Nacht in Bari Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gianrico Carofiglio
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geheilt. Seit drei Jahren rühre ich keine Zigarette mehr an«, sagte Giampiero. »Übrigens ist jetzt auch hier überall das Rauchen verboten.«
    »Und unglaublicherweise halten sich alle daran, wie ich gesehen habe«, sagte Paolo.
    Das ist noch etwas, was mir auf die Nerven geht. Wenn jemand aus dem Ausland kommt, dreht sich das Gespräch immer unweigerlich darum, wie erstaunlich es ist, dass die Italiener (oder gar die Süditaliener) das Rauchverbot respektieren. Jedes Mal, wenn ich das hören muss, bekomme ich Lust, dem Verantwortlichen eine Kopfnuss zu verpassen. So ähnlich wie wenn jemand sagt, dass es keine Jahreszeiten mehr gibt oder dass »die jungen Leute heutzutage gar keine Interessen mehr haben – ganz anders als wir damals«.
    Ich verkniff es mir, Paolo eine zu verpassen; auch Giampiero beharrte nicht auf dem Thema und so saßen wir einfach auf dem Mäuerchen, ich rauchte meine Zigarette fertig, sie sagten nichts und dachten an wer weiß was.
    Paolo unterbrach das Schweigen.
    »Gibt es noch diese Buden, wo frittierte sgagliozze verkauft werden?«
    Als er dieses altmodische Wort aussprach, hatte das eine seltsame Wirkung auf mich. Sgagliozze sind dünne Polentascheiben, die in Motorenöl (oder etwas sehr Ähnlichem) ausgebraten werden. In Bari Vecchia bekommt
man sie an Buden an der Straße angeboten. Typisches, sehr gut schmeckendes baresisches Street-food, das ungefähr so gesund ist wie Crack.
    Wenn ich erzähle, was sgagliozze sind, lautet die erste (und zugegebenermaßen legitime) Frage immer: Wie kommt die Polenta nach Bari? Frittierte Polenta bringt man wohl eher mit Street-food von Ponte di Legno oder Pergine Valsugana in Verbindung. In Bari hingegen würde man dem Klischee nach frittierte Miesmuscheln in braunen Spitztüten erwarten.
    Tatsache ist, dass es in der Altstadt seit eh und je pittoreske Gestalten gibt, die Polentascheiben frittieren und sie der nationalen Leber-Schutz-Organisation zum Trotz dort feilhalten.
    »Es gibt sie noch«, sagte ich, »an der alten Stadtmauer in der Nähe von San Nicola und Piazza Mercantile.«
    »Die sgagliozze . Unglaublich. Ich habe dieses Wort vor fünfundzwanzig Jahren zum letzten Mal ausgesprochen, und jetzt, wo ich gesagt habe, kommen mir lauter Dinge in den Sinn, die ich längst vergessen hatte. Angefangen von dem grässlichen Geruch dieses Öls. Zuallererst denke ich an die eine Alte, die sie so besonders gut machte.«
    Er verstummte und ließ seinen Blick umherwandern, auf der Suche nach alten Erinnerungen. Erst jetzt war er wirklich bei der Sache, und ich konnte sehen, wie seine Lippen sich zum ersten Mal zu einem spontanen Lächeln kräuselten. Dann verwandelte sich das Lächeln in ein Lachen.
    »Warum lachst du?«, fragte Giampiero.

    Da lachte Paolo noch mehr, als hätte sich ein unwiderstehlich komischer Gedanke seiner bemächtigt. Er lachte so herzhaft, dass auch wir zu lachen begannen, obwohl wir den Grund nicht kannten.
    »Jetzt sag schon, warum zum Teufel lachst du so?«, wollte Giampiero wissen.
    »Mir ist eingefallen, wann ich das letzte Mal bei dieser Alten gewesen bin und warum ich danach nie mehr was bei ihr gekauft habe.«
    »Und warum?«, fragte ich.
    »Weil die alte Hure sich, bevor sie mir meine Tüte gab, genüsslich den Hintern gekratzt hat, mit der Hand unterm Rock und – das kann ich nicht ausschließen – unterm Schlüpfer.«
    »Warst du allein dort?«, fragte ich.
    »Nein, du warst dabei.«
    »Und du Arsch hast mir nichts gesagt?«
    »Nein, ich glaube, ich habe dir sogar meine Tüte gegeben. Du warst wie immer schon fertig und hast genüsslich zugelangt. Warum hätte ich dir das Vergnügen ruinieren sollen?«
    Ich sagte, dass ich immer schon überzeugt gewesen sei, dass er ein Arschloch war und dass ich ihm dankbar sei, jetzt auch greifbare Argumente dafür an der Hand zu haben.
    Wir lachten alle drei. Ich hatte zwar immer noch das Gefühl, dass wir Theater spielten, aber wenigstens taten wir das nun auf entspanntere Weise.
    Als wir aufhörten zu lachen, holte Paolo die Grappaflasche aus der Tasche, die der Wirt ihm geschenkt hatte,
öffnete sie, führte sie zum Mund und nahm einen großen Schluck. Ich dachte daran, wie schnell sich sein Glas bei Tisch geleert und gefüllt hatte, und sah verlegen weg.
    »Hast du nicht damals deinen Hund hier ausgeführt?«, fragte er nach einem weiteren Schluck, als wäre ihm etwas in den Sinn gekommen, was er mich schon lange hatte fragen wollen.
    Das war tatsächlich die Anlage, wo ich

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