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Eine Nacht in Bari

Eine Nacht in Bari

Titel: Eine Nacht in Bari Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gianrico Carofiglio
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Stroh ausgepolsterter Pappkarton. Auf dem Stroh schliefen zwei große Welpen mit struppigem Fell und großen Pfoten, der eine mit dunklem, der andere mit rötlichem Fell.

    Ich kann nicht sagen, wie lange ich dort stand und die kleinen Hunde betrachtete, aber ich weiß noch, dass ein Radio lief und dass ein Mann im Dialekt schimpfte und dass von der nahe gelegenen Bäckerei Veneto der Duft nach Focaccia herüberwehte. Ich weiß auch noch, dass die Luft frisch und klar war und mein Herz ganz schnell schlug, weil ich endlich den Mut gefunden hatte, den Alten anzusprechen.
    »Was kosten die?«, fragte ich den Mann mit der Schiebermütze, der mir den Rücken zudrehte und gerade zwei lädierte Vögel an eine zwielichtige Gestalt verkaufte.
    Er drehte sich um und blickte mich mit seinen misstrauischen Augen an. Wahrscheinlich prüfte er, ob ich einer der vielen Jungs war, die einfach nur Fragen stellten und ihm seine Zeit stahlen.
    »Sechstausend«, sagte er dann. Und da er dachte, dass ich ein gefundenes Fressen für ihn war, fügte er hinzu: »Der Vater ist ein Schäferhund.«
    Das war eine der dreistesten Lügen, die ich jemals gehört hatte, denn die beiden Welpen waren ganz eindeutig reinrassige Promenadenmischungen. Aber das war mir egal. Ich wollte mir aller Kraft einen Hund, und ich spürte, dass der richtige Moment gekommen war.
    Mein Freund Marco – dessen gesunder Menschenverstand in allen Lebenslagen funktionierte – meinte, dass wir besser weiterziehen sollten . Ich sollte besser weiterziehen. Ich hörte jedoch nicht auf ihn und drehte mich weg, um nachzusehen, wie viel Geld ich in der Tasche hatte.
    »Ich habe nur viertausend«, sagte ich zu dem Mann.
    »Für viertausend kriegst du den da«, sagte er und
zeigte auf den Rötlichen, der ein wenig kleiner war und noch weniger nach Schäferhund aussah als der andere.
    Ich nahm meinen ganzen Mut zusammen und wollte dem Mann gerade die viertausend für den Schwarzen an – bieten – das sei mein letztes Angebot -, als der Rote plötzlich aufstand und schwanzwedelnd an den Rand der Kiste kam. Direkt auf mich zu. Ich streichelte seinen Kopf, und ich weiß noch genau, wie sein Fell sich anfühlte, nämlich hart wie Sägespäne; dann leckte seine feuchte Zunge meine Finger zum Zeichen unserer Freundschaft, während der andere weiterhin nichts ahnend auf dem Strohlager schlief.
    Dann ging alles sehr schnell, oder wenigstens hatte ich diesen Eindruck. Ich reichte dem Alten das Geld, das er sofort in seiner Jacke verschwinden ließ. Mein Freund Marco sah mich entgeistert an. Ich wich seinem Blick aus, nahm den Hund auf den Arm und ging schnell davon.
    »Und was sagst du jetzt deinen Eltern?«
    Die Antwort fiel mir prompt ein, ganz natürlich und mit allen Einzelheiten.
    »Was sagen wir meinen Eltern? Ganz einfach: Wir gingen gerade an der Piazza Umberto entlang, als wir sahen, wie Kinder den kleinen Hund mit Steinen bewarfen. Wir haben eingegriffen und die Kinder in die Flucht geschlagen. Aber einfach dort lassen konnten wir ihn doch nicht, deshalb haben wir ihn mitgenommen. Wir hatten keine andere Wahl, denn hätten wir ihn dort gelassen, wäre er jetzt sicherlich tot.«
    »Sie werden dir nicht glauben.«

    »Uns beiden werden sie schon glauben, dir und mir.«
    »Du spinnst, ich komme nicht mit, um diese Geschichte zu erzählen. Dein Vater wird schnell wütend, der wird nicht drauf reinfallen, und am Ende verprügelt er uns beide.«
    In der Tat war mein Vater leicht in Rage zu bringen, und die Möglichkeit, dass er uns verprügelte, nicht auszuschließen. Trotzdem, eine Viertelstunde später waren wir zu Hause angelangt und Marco – der ein echter Freund war – schilderte im Brustton der Überzeugung, wie wir uns tapfer gegen eine feindliche Übermacht geschlagen hatten, um den Welpen zu retten.
    Mama und Papa sahen uns fassungslos an, und ich weiß bis heute nicht, ob sie uns die Geschichte geglaubt haben oder ob sie es einfach nicht schafften, bis zuletzt hart zu bleiben. Jedenfalls sagten sie gegen jede Erwartung, gut, wir würden es versuchen. Sie wollten jedoch ein paar Dinge klarstellen. Sehr klar. Ich würde mich um alles kümmern müssen, und der Hund dürfe keinen Schmutz machen, nicht bellen, stinken, Sofas anknabbern, Gäste anfallen, krank werden oder sich als Spitz entpuppen (meine Mutter hasste Spitze). Ich war überglücklich und versicherte ihnen, dass wir diese Regeln unter allen Umständen befolgen würden, wobei mir die Sache auch dadurch einfach

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