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Eine Nacht in Bari

Eine Nacht in Bari

Titel: Eine Nacht in Bari Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gianrico Carofiglio
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erschien, dass der Kleine alles andere als ein Spitz zu sein schien. Wie sich bald herausstellen sollte, war das die einzige Regel, die er einhielt. Wie auch immer, der Nicht-Spitz-Welpe wählte genau diesen Moment, um den Pakt zu besiegeln und mir meine Aufgabe zu erleichtern, indem er vor den Beinen meines Vaters auf den Boden pieselte.

    Und damit begann eine interessante Zeit.
    Das steht außer Zweifel.

    Der Welpe wurde Randy genannt, und seine Ankunft veränderte vieles in meinem Leben. Vor allem musste ich jetzt täglich viele Stunden auf der Straße verbringen, um dem kleinen Hund beizubringen, seine Geschäfte an einem anderen Ort als dem häuslichen Fußboden zu verrichten. Lange Zeit missverstand er das als ein lustiges Gesellschaftsspiel nach dem Motto: Wie lange schaffe ich es, mein Pipi und meinen Kot zurückzuhalten, während wir unterwegs sind, bis ich mich endlich in der Wohnung erleichtern kann?
    Wenn ich lange genug ausharrte und ihn somit dazu zwang, sein Geschäft auf der Straße zu erledigen, kam es zu wilden Szenen oder, wie soll ich sagen, Auseinandersetzungen.
    Der Hund nahm die typische zusammengekrümmte Haltung ein, und ich begann, gemäß dem Ratgeber Der Hund auf der Toilette, ein revolutionärer Ansatz , ihn überschwänglich zu loben.
    »Gut, Randy, großartig! So ein schönes Stinkekacka! Wirklich gut, mein Hund.«
    Unweigerlich merkte ich jedes Mal, wenn ich meine Begeisterung für die ästhetischen und olfaktorischen Eigenschaften des soeben auf dem Gehsteig deponierten Produkts lautstark zum Ausdruck gebracht hatte, dass jemand direkt hinter mir stand und jedes Wort mitgehört hatte.

    Was – das muss angemerkt werden – meinem Ruf im Stadtteil nicht gerade zuträglich war.
    Wie auch immer, dank der Hygienespaziergänge mit dem Hund lernte ich meine Umgebung und vor allem seine Bewohner besser kennen. Zumindest die, denen ich begegnete und die auf irgendeine Weise mit Hunden zu tun hatten.
    Da gab es einige (wenige) Kaufleute, die Tiere mochten und die freundlich zu mir waren und, falls sie Lebensmittelhändler oder Metzger waren, immer einen kleinen Leckerbissen für Randy übrig hatten.
    Dann gab es die anderen Hundebesitzer, und da wird die Fauna schon interessanter.
    Es gab einen alten Mann von circa hundertfünfundvierzig Jahren, der einen kleinen, wirklich hässlichen Hund hatte. Wenn wir uns trafen, sagte er immer »Ciao, Pasquale« – ich heiße überhaupt nicht Pasquale – und gab mir Hygienetipps. Mit bebender Stimme sagte er beispielsweise: »Man muss immer gut den Arsch abbürsten, mit einer großen Bürste«, und ging dann einfach weiter, ohne auch nur noch ein Wort zu sagen. Ich weiß bis heute nicht, ob der Rat dem Hund galt oder mir selbst.
    Ein anderer Hundebesitzer, dem ich regelmäßig begegnete, war um die dreißig, klein und dünn. Wenn er einen ansah, wirkte er, als hätte er eine Überdosis Tranquilizer intus. Er hatte einen riesigen Dobermann, und ich hielt immer gehörigen Abstand zu den beiden. Es war klar, dass der Kleine die Bestie im Ernstfall niemals hätte bändigen können.
    Dann gab es Mimma Russo Frattasi, die ich nett
fand und die es offensichtlich schätzte, dass ich mir einen Hund von so zweifelhafter Abstammung genommen hatte. Sie hatte damals einen deutschen Jagdhund, und ihre wunderschöne Keramik-Werkstatt war in der Via Putignani, zwischen der Via Sagarriga Visconti und der Via Quintino Sella. Der Jagdhund ist nicht mehr am Leben, Mimma Gott sei Dank schon. Und auch die Werkstatt gibt es noch, und wie man so schön sagt, ist sie einen Umweg wert. Mimmas Arbeiten – Basreliefs, Vasen, Teller, Statuen – sind ganz wunderbar, sie haben etwas Geheimnisvolles, manchmal auch Bewegendes, und es lohnt sich, den Ort zu sehen, an dem sie entstehen.
    Tatsächlich war mein Stadtteil damals von Handwerkern und Künstlern bevölkert, von denen nur noch Mimma Russo Frattasi übrig geblieben ist. Aber als ich ein Kind war, gab es noch viele von ihnen, darunter ein alter Pappmaché-Künstler, der Heiligenstatuen für Kirchen anfertigte. Auch seine Werkstatt lag in der Via Putignani, in meinem Häuserblock. Ich erinnere mich noch gut an das Zeitungspapier und die Lumpen, die darauf warteten, geformt zu werden; an den starken, aus vielerlei Nuancen bestehenden Geruch, an den Rauch, der manchmal aus dem Ofen drang, an den Geruch des Tons für die Abdrücke, den des Leims; an die lebensgroßen Statuen aus Pappmaché, wenn sie beinahe fertig waren und zum

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