Eine Nacht in Bari
Trocknen auf dem Trottoir standen.
Der alte Handwerksmeister, vor allem aber sein Gehilfe, mochte Randy, der jedoch den Geruch nicht leiden konnte, der aus der Werkstatt drang; er ließ sich dann ein paar Sekunden lang streicheln und wollte dann gleich weiter.
Daneben gab es die Handwerker und Kaufleute, die Hunde hassten. Sobald sie mich und Randy sahen, kamen sie auf die Straße gelaufen, um uns zu überwachen und möglichst bei einem verbotenen Pipi oder einem widerrechtlich abgesetzten Hundehaufen zu überraschen. Sie hassten alle Hundebesitzer gleichermaßen, aber mich ein klein wenig mehr.
Ich erinnere mich vor allem an einen, der ungefähr so freundlich und sympathisch war wie Pol Pot. Er hatte ein Schuhgeschäft in der Via Manzoni, Nähe Piazza Garibaldi, und einen wütenden Ausdruck in seinem von roten Äderchen überzogenen Gesicht (was mich heute im Nachhinein zu der Annahme verleitet, dass er alkoholischen Getränken nicht ablehnend gegenüberstand). Er war eine Ratte. Mehrmals hatte er mir gesagt, dass mein Hund und ich »voller Scheiße« seien und dass wir nicht einmal in die Nähe seines Geschäfts kommen durften. Mit anderen Worten: Er war kein Freund von Umschreibungen und Euphemismen.
Da beschloss ich, den Spieß umzukehren und ging jeden einzelnen Tag dort vorbei. Wir leben in einem freien Land, und ich kann tun, was ich will. Und wie es der Teufel will, machte Randy eines Tages Pipì an der Hauswand des Ladens.
An jenem Tag schoss er wie eine Furie heraus und sagte, das sei die letzte Warnung. Das nächste Mal würde er einen schönen Stock holen, den er im Hinterzimmer bereithielt, und mir beibringen, was passierte, wenn ich den Hund in der Nähe seines Geschäfts hinpissen und -kacken ließ.
Ich wollte ihm schon sagen, dass ich mich auf diesem Gebiet sehr gut auskannte (dem Hinpissen- und Hinkackenlassen von Hunden in der Nähe seines Geschäfts nämlich) und dass ich nicht glaubte, Nachhilfestunden in diesem Fach zu benötigen.
Zum Glück beherrschte ich mich, und von dem Moment an führte ich den Hund nur noch nachts in der Nähe von Pol Pots Laden aus.
Gemeinsam mit Randy begann ich, die Stadt zu erforschen.
Nachmittags, gleich nach dem Mittagessen, zogen wir los. Ich ging zu den Grünanlagen – der Piazza Garibaldi oder der Piazza Umberto oder auch der Piazza Isabella d’Aragona – und ließ zu, dass der Hund, der mittlerweile ausgewachsen und ziemlich groß war, versuchte, kleinere Hunde zu killen oder umgekehrt versuchte, sich von größeren Hunden killen zu lassen. Irgendwann nahm ich dann Randy wieder an die Leine und ging, da ich keine Lust zum Lernen und Hausaufgabenmachen hatte, mit ihm spazieren.
Manchmal, wenn die Luft frisch und klar war und die Lust zu lernen auf dem Nullpunkt, machte ich stundenlange Spaziergänge. Ich lief bis zur Fiera del Levante oder sogar bis zum Pinienwald von San Francesco. Oder aber ich schlug eine ganz andere Richtung ein und ging zu den Anlagen der russisch-orthodoxen Kirche, die im Stadtteil Carrisi steht, nicht weit vom Gefängnis, und die ein schönes, interessantes Bauwerk ist. Es ist eine der größten russischen
Kirchen außerhalb Russlands, und da sie mitten in einem sehr volkstümlichen und dicht besiedelten (teilweise sogar richtig gefährlichen) Wohngebiet wie Carrisi steht, hat sie auf den Betrachter eine befremdliche Wirkung. Es ist, als hätte ein riesiger Meteorit mitten in der Stadt eingeschlagen und dort eine ganz eigene räumliche und zeitliche Dimension geschaffen, die sich von allem darum herum unterscheidet.
Die russische Kirche wurde Anfang des vergangenen Jahrhunderts erbaut, zu Ehren des heiligen Nikolaus. In der Altstadt gibt es die wunderschöne, mittelalterliche Basilika San Nicola, eines der schönsten romanischen Bauwerke Europas (und damit der Welt), die – wie die Reiseführer schreiben – allein schon eine Reise wert ist. Aber der heilige Nikolaus ist vor allem bei den Orthodoxen sehr beliebt. Paolo Rumiz schreibt, dass alle Russen Bari sofort auf der Landkarte finden, und zwar wegen dem heiligen Nikolaus.
Die Geschichte, die dahintersteckt, ist einzigartig. Die Gebeine des Heiligen wurden im Jahr 1097 im türkischen Myra (heute Denre) von Matrosen aus Bari geraubt und in ihre Heimatstadt gebracht, die bis dahin keinen eigenen Schutzpatron gehabt hatte. Auf diese Weise wurde der heilige Nikolaus zwangsweise zum Beschützer der Stadt Bari. Alle Forderungen nach Rückgabe stießen auf höfliche, aber
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