Eine Nacht in Bari
sghign« – das Grinsen – bekannt war, fuhr absichtlich mit dem Fahrrad auf mich zu, als ich gerade die Straße überquerte. Nachdem ich ihm in letzter Minute ausgewichen war, sagte ich irgendetwas, um zu protestieren. Der Typ blieb stehen, stieg vom Rad und gab mir, ohne einen Ton zu sagen, einen Fausthieb aufs Auge. Ich hatte das Gefühl, er habe die Faust direkt in meinen Kopf gebohrt. In meiner leeren Augenhöhle bildeten sich Kreise
um Kreise, die schließlich die ganze Welt ausfüllten. Mein Kopf füllte sich mit für die Außenwelt nicht wahrnehmbarem Lärm, während ich merkte, dass weitere Schläge folgten. Ohrfeigen, Fausthiebe, Fußtritte. Auf die Beine, in den Bauch, ins Gesicht. Während ich versuchte, mich zu schützen, fragte ich: Warum?
Warum er das tat? Natürlich gab es keinen wirklichen Grund, im Sinne eines überzeugenden Tatmotivs. Er tat es aus reiner Freude, da er es nun einmal tun konnte .
Irgendwann verlor er die Lust und ließ mich ziehen, nicht ohne mir noch ins Gesicht gespuckt zu haben. Ich wischte mich nicht einmal ab, solange er nicht auf sein Rad gestiegen war – das sicherlich geklaut war, dachte ich hasserfüllt – und hinter der Kirche von San Rocco verschwand.
Dann erst begann ich zu schluchzen, ein oder zwei Minuten lang.
Schließlich trocknete ich mein Gesicht, ging zur Pizzeria und bestellte die üblichen vier Margheritas ohne Pfeffer. Der Pizzabäcker, der weder blind noch zurückgeblieben war, fragte mich, was passiert sei, und ich sagte, ich sei hingefallen und hätte mich dabei verletzt. Er wollte noch etwas sagen, aber dann dachte er, dass es ihn nichts anging. Er nahm vier Teigklumpen und machte sich an die Arbeit, wie immer stumm.
Ich ging nach Hause, stellte die Pizzas auf den Tisch und huschte an meinen Eltern vorbei ins Bad, um die Spuren der Prügelei aus meinem Gesicht zu tilgen. Dann setzte ich mich an den Tisch, kaute unter Schmerzen ein paar Bissen und ging danach schnell ins Bett. Im unruhigen
Halbschlaf dieser Nacht, hin- und hergerissen zwischen Demütigung und Wut, schwor ich mir, dass mir so etwas nie wieder passieren würde. Und dass die nächste Begegnung mit diesem Typen, falls es noch einmal dazu käme, anders ablaufen würde.
Ein paar Monate später trat ich in einen Verein für Kampfsport ein.
Der Trainingsraum war in der Via Brigata Bari (wo er immer noch ist und wo italienische Meister, europäische Meister und Weltmeister ausgebildet wurden), und ich verbrachte dort jeden Montag-, Mittwoch- und Freitagnachmittag von sechs bis neun Uhr.
Ich verließ meine Wohnung in der Via Putignani, ging bis zur Via Manzoni, bog südwärts in Richtung Corso Italia ab und nahm dann westwärts entweder die Via Principe Amedeo oder die Via Dante in Richtung besagter Via Brigata Bari, wobei ich den Dschungel des Libertà-Viertels durchqueren musste. Knappe zwei Kilometer Fußweg, die einen Vorstoß in feindliches Terrain bedeuteten.
Die Via Dante und die Via Principe Amedeo, die den Corso Cavour mit der Via Brigata Bari verbinden, sind eineinhalb Kilometer lang und illustrieren in ihrem Verlauf den Übergang von einer Stadt in die andere.
Auf dieser Strecke verändert sich das Stadtbild ganz allmählich. Meter um Meter. Man geht bei den eleganten, aristokratisch anmutenden Häusern des Abschnitts zwischen dem Corso Cavour und der Via Andrea da Bari los, kommt dann an den bürgerlichen Wohnhäusern des westlichen Teils bis zu den Straßen Quintino Sella, Sagarriga
Visconti und Manzoni vorbei und landet schließlich bei den ärmlicheren Mietshäusern auf der Höhe der Via Libertà, Via Mayer, Via De Bernardis und jenen Straßenzügen, die am Ende der Neunzigerjahre Schauplatz von Mafiakriegen waren, die mit Kaliber-9-Geschossen und Kalaschnikows geführt wurden.
Lange Zeit legte ich diesen Weg vielleicht nicht gerade mit panischer Angst, aber doch mit einem ständigen Gefühl der Beklemmung zurück. Es war fremdes Terrain, und alles Mögliche konnte passieren.
Der Sportverein hatte ein sehr gemischtes Publikum. Es gab angehende Maurer und Mechaniker, junge Männer, die mit ihren Eltern am Markt in der Via Nicolai arbeiteten, Anstreicher, Elektriker, Schreiner, jede Menge Schüler der Realschulen und auch ein paar des humanistischen Gymnasiums, die aus dem anderen Teil der Stadt kamen und mit einer Mischung aus Mitleid, Misstrauen und bisweilen Feindseligkeit behandelt wurden. Diese Gruppe hielt es in dem Verein am wenigsten lange aus.
Um akzeptiert zu
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