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Eine Nacht in Bari

Eine Nacht in Bari

Titel: Eine Nacht in Bari Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gianrico Carofiglio
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meiner Rechten. Was das bedeutet, ist mir schleierhaft, aber ich hatte immer schon Schwierigkeiten, mich in mehrere Richtungen hin zu orientieren. Zum Beispiel verliere ich jedes Mal die Orientierung, wenn ich nach Süden fahre, und muss mich immer erst innerlich positionieren auf meiner geistigen Landkarte.
    Auch dieser Gedanke verschwand, als Giampiero am Corso Italia parkte, wenige Meter vor der Kreuzung mit der Via Sagarriga Visconti. Wir stiegen einmal mehr aus, was langsam zu einem zwanghaften Ritual wurde, und erreichten nach wenigen Schritten den Ort, an dem früher einmal das Jolly-Kino gewesen war.
    Wenn ich ehrlich bin, gab es dort nichts zu sehen. Vor uns war eine Einfahrt voller Autos, und im Hintergrund
erahnte man die Milchglastür, die früher in das Kino hineingeführt hatte, wo es immer leicht muffig roch und die hölzernen Stühle unbequem und vertraut waren.
    Wir lehnten uns an die Einzäunung des Hofs und blickten durch die Gitterstäbe nach hinten, dorthin, wo es nichts zu sehen gab, ohne etwas zu sagen.
    »Wie lange ist es schon geschlossen?«, fragte Paolo.
    »Keine Ahnung, immer schon«, erwiderte Giampiero.
    »Seit’89 oder vielleicht auch’90. Ich habe mich das mehrmals gefragt und habe es nie geschafft, mich genau daran zu erinnern«, sagte ich. In Wirklichkeit erinnere ich mich an fast gar nichts genau, aber das behielt ich für mich.
    »Welches wohl der letzte Film war, den sie gezeigt haben?«, dachte Paolo laut.
    »Wann wir wohl das letzte Mal zusammen hier waren?«, fügte Giampiero hinzu, und ich hatte den Eindruck, dass er das nur sagte, weil er sich Mühe gab, mit uns in Verbindung zu bleiben, die Unterhaltung nicht abreißen zu lassen. Ich sagte nichts. Ich nickte bloß mechanisch. Ich konnte mich nicht erinnern. Ich konnte mich nicht mehr erinnern, wann wir das letzte Mal gemeinsam dort gewesen waren und auch nicht, wann ich allein zuletzt dort gewesen war. Sicherlich aber, nachdem Paolo schon mehrere Jahre fortgegangen war.
    »Wer weiß, wie viele von denen, die die letzte Vorstellung gesehen haben, schon tot sind«, fuhr Paolo fort, und sein Ton war unangenehm, die Stimme vom Alkohol leicht verzerrt.

    Dieser Satz missfiel mir, und um das Unbehagen abzustreifen, klopfte ich gegen das Eingangstor – das jemand nicht zugesperrt hatte, weshalb es sich mit dem typischen Quietschen schlecht verschraubten und nicht geölten Metalls öffnete.
    Wir gingen einer nach dem anderen hindurch, ohne ein Wort zu sagen, als sei das nunmehr selbstverständlich und unvermeidlich; wir durchquerten den Hof bis zum Eingang des Kinos. Man hatte den Eindruck, die Tür sei erst vor ein paar Stunden verschlossen worden, nach der Spätvorstellung. Das Ganze wirkte traurig und irgendwie unheimlich.
    »Jungs, ich weiß nicht warum, aber ich habe eine Gänsehaut. Ich fühle mich hier nicht wohl. Gehen wir woandershin?«, fragte Giampiero leise.
    Paolo verzog das Gesicht. Dann lehnte er sich an die Wand neben der Tür.
    »Klar fühlst du dich unwohl. Hier gibt es ja auch Gespenster.«
    Er sprach ebenfalls leise, beinahe seufzend.
    »Sag das bloß nicht, ich mach mir noch in die Hosen. Das ist ja wie in einer Erzählung von Stephen King.«
    Paolo grinste nach oben, in keine bestimmte Richtung. Er glitt zu Boden und setzte sich vor die Mauer, neben den Eingang zum Kino.
    »Erinnert ihr euch noch an diese Geschichte von den Mädchen, die in der Toilette des Jolly verschwunden sind? Sie haben sie betäubt, in einen Schacht geworfen und verkauft.«
    »Von hier habe ich diese Geschichte noch nie gehört.
Ich weiß, dass Mädchen in einem Kleidergeschäft in der Via Cavour verschwunden sind«, sagte Giampiero. »Ich bin hingegangen und habe Hosen anprobiert – aber nicht gekauft, denn sie waren einfach zu hässlich -, nur um mir diese Schächte anzusehen … Dass das auch hier passiert sein soll, wusste ich nicht. Hast du davon gehört?«, fragte er mich.
    »Nie gehört. Meiner Meinung nach hat er sich das gerade ausgedacht. Das hat er in Chicago gelernt, dummes Zeug zu schwatzen. Früher hätte er das nicht gekonnt.« Ich war froh, dass die Stimmung sich wieder gebessert hatte und dass die Gespenster für ein paar Momente verscheucht worden waren.
    »Wer weiß, wie diese modernen Wandersagen entstehen. Vor ein paar Jahren hatte ich Lust bekommen, mir eine auszudenken und zu sehen, was dann passiert«, sagte Paolo.
    »Das wolltest du also jetzt ausprobieren, mit dieser Geschichte von den Mädchen, die auf der

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