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Eine Nacht in Bari

Eine Nacht in Bari

Titel: Eine Nacht in Bari Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gianrico Carofiglio
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nach, in aufsteigender Qualität, folgende Modelle waren:
der superleichte Super Tele, das heißt, der schlechteste Fußball, den man käuflich erwerben konnte, der orangefarbene Super Santos, der das beste Preis-Leistungs-Verhältnis hatte, und der San Siro, der zwar aus Plastik war, aber an Gewicht und Konsistenz einem Lederball glich und damit der begehrteste und meistgeklaute war.
    Wir waren also auf der Straße und spielten auf der Straße. Aber unsere Spiele waren normale, vielleicht manchmal ein wenig brutale Kinderspiele.
    Die Spiele der Kinder auf der anderen Seite der Grenze, jenseits der Via Manzoni, in den gefährlichen Gebieten des Libertà-Viertels, waren im Grunde dieselben. Aber in ihrer Art zu leben und folglich auch zu spielen lagen ein Ernst und eine Wahrheit, die alles veränderte.
    Diese Kinder waren vollkommen frei, ohne dass irgendjemand auch nur versuchte, sie zu kontrollieren, und deshalb konnten sie all das tun, was uns streng verboten war. Sie spielten an verbotenen Plätzen Fußball, fuhren Mofa, bevor sie vierzehn Jahre alt waren, redeten Mädchen dumm an, sprangen auf fahrende Straßenbahnen und machten die Stadt unsicher, zu jeder Tages- und Nachtzeit. Sie tranken Bier, rauchten Zigaretten und badeten in dem giftigen Hafenwasser inmitten von Ratten, Ölpfützen und fetten, obszön aussehenden Fischen.
    Unsere Mütter sagten, wenn wir auch nur einen Fuß in dieses Wasser streckten, würden wir Gelbsucht oder, nach der Choleraepidemie von 1973, eben Cholera bekommen.
    Diesen Kindern waren Gelbsucht, Cholera, Ölpfützen und schwimmende Riesenratten vollkommen egal. Ihnen
war überhaupt alles egal. Sie sprangen laut schreiend ins Wasser und spielten mit den großen, schwarzen Lastwagenschläuchen, die sie als Schwimmreifen, Luftmatratzen oder Schlauchboote benutzten.
    Die schwarzen Schläuche symbolisierten den Unterschied zwischen uns und ihnen.
    Wir und unsere Eltern besuchten eingezäunte, saubere und überwachte Strände; wir badeten äußerst vorsichtig, mit fröhlich bunten Schwimmreifen und Gummibooten. Die anderen wagten sich allein in dunkle, bedrohliche Gewässer mit groben, männlichen Objekten, die wie Metaphern ihrer Fähigkeiten waren, sich überall durchzuschlagen. Eine Fähigkeit, die uns fehlte und die wir uns auf eigene Kosten aneignen mussten. Meine Gefühle ihnen gegenüber waren gemischt. Offiziell und im Einklang mit der moralistischen Rhetorik der Schule und mancher Erwachsener bemitleidete ich sie. Ihre Familien waren arm und benachteiligt, sie spielten auf der Straße, weil sie keine anderen Orte hatten, wo sie hingehen konnten, und die Umstände verlangten oft, dass die Kinder »von drüben« als Laufjungen in Bäckereien, Lebensmittelgeschäften oder Drogerien arbeiteten. Falls sie zur Schule gingen, fielen sie regelmäßig durch; sie waren dazu prädestiniert, kriminell zu werden.
    Heimlich jedoch beneidete ich die anderen aus dem Libertà-Viertel wegen ihrer Vitalität, ihrer Verachtung für Gefahren und ihrer Fähigkeit, einen Impuls direkt in die Tat umzusetzen. Aus denselben Gründen machten sie mir auch Angst. Diese Jungs waren unsere Obsession, und diese Obsession entstand durch die zahlreichen Episoden,
bei denen jemand von uns einen Übergriff, eine Aggression oder auch einen kleinen Raub über sich ergehen lassen musste.
    Eines Nachmittags waren ein Freund von mir, den ich Danilo nennen will, um seine wahre Identität zu schützen und seinen Ruf nicht zu ruinieren, und ich wie öfter schon für eine halbe Stunde in einen Laden mit gebrauchten Comic-Heften in der Via Bovio gegangen, hinter der Piazza Risorgimento. Das Geschäft gibt es immer noch, und es ist seit fünfunddreißig Jahren unverändert, ebenso wie sein Besitzer. Der Handel mit gebrauchten Comics ist offenbar kein Beruf, der mit außergewöhnlichen Verschleißerscheinungen verbunden ist.
    Ich ging dorthin, weil ich Comics liebte, weil ich dort seltene Hefte fand oder die, die ich nicht mehr haben wollte, verkaufen konnte, wenn ich Geld brauchte. Außerdem, das muss einfach gesagt werden, konnten wir dort in aller Ruhe Pornohefte ansehen, ohne dass uns jemand dabei störte oder dass plötzlich unsere Eltern auftauchten.
    Ich habe noch nie in meinem Leben so ein Heft gekauft. Nicht, weil ich es nicht gewollt hätte, sondern einfach, weil ich zu feige dazu war. Der bloße Gedanke, dass meine Eltern mich mit dem Zeug erwischten, versetzte mich in unerträgliche Panik. Also spähte ich hinein und

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