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Eine Nacht, Markowitz

Eine Nacht, Markowitz

Titel: Eine Nacht, Markowitz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ayelet Gundar-Goshen
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seien ausgefüllt, Seev Feinberg die Aufgabe aufhalsen wollte. Schließlich kam es so weit, dass sie ihre Mahlzeiten von ein und demselben Teller aßen, nachdem alle anderen am Boden zerschellt waren. Das Essen schmeckte nicht besonders, weil Sonia alles anbrennen ließ und Seev Feinberg sich partout nicht in der Küche versuchen wollte. Trotzdem liebten sie sich treu und innig.
    Rachels Gedichtband wurde in einer kartonierten Auflage von siebenhundert Stück in einer kleinen Druckerei im Süden Tel Avivs hergestellt. Jakob Markowitz übergab dem Inhaber den Umschlag, den er von dem Mann in der Windjacke erhalten hatte, und legte ein paar Scheine darauf, die er für Notzeiten gespart hatte. Bella nahm jedes der siebenhundert Exemplare einzeln in die Hand und streichelte es zum Abschied, ehe sie sie an die Buchhandlungen auslieferte. Zwei Monate später, als anscheinend alle Chancen und Hoffnungen vergangen waren, wurden sie aufgefordert, die Bücher wieder abzuholen, andernfalls würde man sie in den Abfall werfen. Siebenhundert Exemplare in einem kartonierten Einband, der nie aufgeschlagen worden war. Kein Mensch hatte Rachel Mandelbaums Gedichtband gekauft. Einen Tag, nachdem sie die Exemplare wieder eingesammelt hatten, entdeckte Jakob Markowitz bei der Feldarbeit plötzlich ein großes Feuer in der Nähe seines Hauses. Sofort ließ er die Hacke fallen und rannte los. Am Haus angekommen, fand er Bella vor einem brennenden Bücherstapel stehen. Siebenhundert kartonierte Bände und die Gedichte daraus stiegen in einer schwarzen Rauchwolke zum Himmel auf. Das Feuer brannte über eine Stunde, und die ganze Zeit standen Jakob Markowitz und Bella Seite an Seite, sahen zu, wie die Flammen das Papier verzehrten. Jakob Markowitz wollte nach Bellas Hand greifen, aber die ruhte auf ihrer Wange, salzige Tränen rannen auf die brandvernarbten Finger. Als das Feuer verlosch, drehte Bella sich um und ging ins Haus. Sie sagte kein Wort zu Jakob Markowitz. Lange blieb er noch bei der verglimmenden Glut stehen. Die schwelenden Aschereste flüsterten ihm zu: Siebenhundert kartonierte Bände haben wir verschlungen und auch noch ein kleines Wir. Dieses Gemeinschaftsgefühl, das du kultiviert und bewässert und gepflegt hast, das in diesen drei Gnadenmonaten aufkeimte und wuchs, dieses Gemeinschaftsgefühl ist auf Nimmerwiedersehen verbrannt. Jakob Markowitz ging ins Haus. Bella saß am Küchentisch. Sie hob die Augen nicht zu ihm auf. Wieder war jeder für sich.
    Nun könnte man ja meinen, sie würden niemals altern. Könnte es schlichtweg verlangen. Menschen ihres Schlages sollten eigentlich nicht altern. Wann immer die Zeit ihre knochige, verderbliche Hand ausstreckt, wehrt die Mythologie ihren Angriff ab. Die nicht. Denen kannst du nichts anhaben. Jakob Markowitz wird bis ans Ende aller Tage an seiner Liebe und seiner Sünde festhalten, und die Liebe und die Sünde werden so frisch sein wie am Tag ihrer Geburt. Bella wird die schönste Frau, die er je gesehen hat, bleiben und ihr Hass auf Jakob Markowitz so stark wie eh und je. Seev Feinberg und Sonia werden sich weiter geräuschvoll streiten und noch geräuschvoller lieben. Und der Irgun-Vizechef wird auf ewig der Irgun-Vizechef sein, niemals der Irgun-Chef selbst und erst recht nicht der Irgun-Vizechef im Ruhestand. Ja, man hätte wirklich meinen können, sie würden niemals altern. Trotz allem alterten sie vor sich hin. Es geschah nicht gleich. Nie kommt das Altern gleich, und darin liegt seine Stärke. Der Mensch wendet seine Aufmerksamkeit alltäglichen Dingen zu – der Kindererziehung, der Erwerbstätigkeit, der einen oder anderen guten Mahlzeit, und auf einmal hebt er den Kopf und ist alt. Deshalb ist es sehr schwierig, das genaue Datum zu bestimmen, an dem Passanten sich auf der Straße nicht mehr nach Bella umdrehten, oder den Tag in den Annalen aufzufinden, an dem der Irgun-Vizechef geschlagene zwölf Stunden verbrachte, ohne auch nur ein Mal an Sonia zu denken. Die mit Schriftstücken und Urkunden befassten Historiker werden sich niemals einigen, ob es Frühling oder Winter war, als Jakob Markowitz erstmals einsah, dass ihn langsam die Kräfte verließen, Bella noch länger festzuhalten.
    Obwohl all diese Dinge geschahen, will der Geist sie nicht so schnell wahrhaben. Diese Menschen haben doch, verdammt noch mal, Drachen an den Flügeln gepackt, Einhörner geritten, Löwen gebändigt. Haben tausend und mehr unmögliche Dinge getan, bis das Wunderbare ihnen zur

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