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Eine Nacht, Markowitz

Eine Nacht, Markowitz

Titel: Eine Nacht, Markowitz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ayelet Gundar-Goshen
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von der Debatte zwischen Sonia und Bella und konnte deshalb auch nicht ahnen, dass Bella nicht ihn, sondern seine Frau treffen wollte. »Nur vorläufig«, erwiderte er. »Rein vorübergehend.« Sie tranken den Tee und aßen Kekse und umarmten sich warm zum Abschied. Nachdem die Tür hinter Jakob Markowitz und Bella ins Schloss gefallen war, stürmten die Kinder zu Seev Feinberg und wollten weiterspielen, doch er machte ein wütendes Gesicht. Er fühlte sich nicht mehr als Räuber oder Pirat, sondern wie ein Mensch, dem man etwas geraubt hatte. Jetzt dachte er an all die Nächte, die Sonia durchgeschlafen hatte, während er für ein weinendes Kind aufgestanden war. Kurz nach Jairs Geburt wäre er nicht auf die Idee gekommen, unter der Decke hervorzukriechen, so klar war es – ihm und auch Sonia – gewesen, dass die Nachtarbeit ebenso selbstverständlich ihr oblag wie der tägliche Broterwerb ihm. Mit einem Schlag vergaß Seev Feinberg seine Freude am Spiel mit den Kindern, ihre wunderbar zarte Haut an seinen Fingern, wenn er sie badete, die wohlige Ruhe, sobald er alle wieder in den Schlaf gewiegt hatte und zufrieden ins Bett zurückkehrte. Er fühlte sich eingesperrt in den vier Wänden. Er wollte raus. Wollte streiten oder feiern, wollte von vielen Augen gesehen werden und viele Münder flüstern hören: Der ist ein ganzer Kerl! Er wollte, konnte aber nicht, denn er hatte ja am Tag seiner Rückkehr die Tagesmutter fortgeschickt, kaum dass Sonia heimgekommen war und seine Identität bestätigt hatte. Unter Jairs Protestgeheul gegen den Eindringling im Haus hatte er Sonia erklärt, er würde die nächsten Tage bei den Kindern bleiben. Er allein. Und sie hatte eingewilligt. Hatte die Tagesmutter umstandslos entlassen. Warum hätte sie sich weigern sollen?
    Als Sonia nach Feierabend die Wohnung betrat, fand sie ihre Sachen gepackt vor. Seev Feinberg saß auf dem Sofa, inmitten von Koffern, und erhob sich, sobald sie die Tür aufmachte. »Es wird Zeit, dass wir in die Moschawa zurückfahren.« Sonia sah ihn perplex an. Es war längst Nacht geworden.
    »Jetzt?«
    »Nein, die Kinder schlafen. Wir fahren morgen früh.« Seev Feinberg sprach leise und bestimmt. In der dunklen Wohnung funkelten seine Augen Sonia wie die eines Leoparden an. Eines Leoparden, der aus Europa zurückgekehrt war, nun in ihrer Wohnung saß und alles zu zerstören drohte, was sie sich aufgebaut hatte. Sonia hielt einen Moment inne, ehe sie antwortete. Sie musterte die drei Koffer. »Ich kann morgen Vormittag nicht weg.« Seev Feinberg rührte sich nicht.
    »Dann kommst du mittags mit uns.«
    »Auch nicht am Mittag. Ich habe Arbeit, Seevik, und die kann ich nicht in den Koffer packen.«
    Zum Schluss fanden sie eine Lösung, die beide ebenso akzeptierten wie hassten. Seev Feinberg kehrte in die Moschawa und zu seinen Feldern zurück. Seine Muskeln schwollen wieder bei der körperlichen Arbeit. Seine Reden wurden von einem Bauerntreffen zum nächsten flammender. Er war wieder ein Pfundskerl, abgesehen davon, dass sein Haus die halbe Woche leer stand. Ohne eine warme Mahlzeit, die ihn mittags erwartete, ohne den Duft einer Frau und ohne Kinderlachen. Drei Tage pro Woche verbrachte Sonia in Tel Aviv, gab ihre Kinder jeden Morgen in die routinierten Hände der schnurrbärtigen Tagesmutter und eilte in ihr Büro. Drei Tage, an denen sie einander der Sturheit bezichtigten. Die Frauenbeauftragte lenkte und organisierte und plante mit tüchtiger Hand – und sehnte sich die ganze Zeit nach der zärtlichen Hand eines schnauzbärtigen Riesen. Ebendiese Hand umklammerte die Hacke und schwang sie mit großer Wucht, und die ganze Zeit dachte Seev Feinberg an eine sommersprossige Schulter. Mittwochs, wenn Sonia mit den Kindern ins Dorf kam, war Seev Feinberg kalt und wütend und Sonia stolz und dynamisch. Die frostige Stimmung taute über Nacht langsam auf, und der anbrechende Morgen des Donnerstages fand die beiden schon eng umschlungen und erschöpft vor Lust. Freitags ruhten noch Zärtlichkeit und Freude über ihnen, aber samstags witterten sie schon den Abschied, waren mürrisch und wütend. Die Kinder lernten schnell, dass man samstagabends tunlichst auf dem Hof spielte, weil im Wohnzimmer Streit und Geschrei ausbrechen und oft auch ein oder zwei Teller durch die Luft fliegen würden. Der Kauf neuer Teller war ein weiterer Streitpunkt, denn Seev Feinberg verlangte, dass Sonia sie in Tel Aviv besorgen sollte, während Sonia mit der Behauptung, ihre Tage dort

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