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Eine Nacht, Markowitz

Eine Nacht, Markowitz

Titel: Eine Nacht, Markowitz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ayelet Gundar-Goshen
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und Operationen, nach den Mutproben und Missionen konnten sie doch nicht einfach so in die Moschawa zurückkehren, zu einem grauen Alltagsleben. Jair Feinberg malte sich im Geist schon den Tag aus, an dem sie von ihrem Unternehmen heimkämen. Seine Mutter würde ihm in Tränen aufgelöst um den Hals fallen, und sein Vater würde Auskunft verlangen, wo er gewesen war. Er würde keine Antwort geben, seinen Vater nur mit dem entschlossenen Schweigen der Kämpfer ansehen. Oder er würde einen blutroten Stein aus der Tasche ziehen (oder sogar ein ganzes Karnies aus dem Palast, wenn die Dinger nicht zu schwer waren), würde ihn auf den Esstisch legen und weggehen. Seev Feinberg würde die Herkunft des Steins sofort erkennen – wo sonst fand man solch rotes Gestein – und würde seinem Sohn nacheilen. Mit lächelndem Gesicht stellte Jair sich vor, wie sein Vater ihn anflehen würde, Einzelheiten über das kühne Unternehmen zu erzählen, und wie er sich schließlich bereitfinden würde, ruhig und gemessen davon zu berichten. Wenn sein Vater dann vernommen hätte, von welchen Heldentaten die Rede war, würde er rasch die Schnapsflasche aus ihrem Versteck auf dem Schrank holen und ihnen beiden je ein Glas einschenken. Eigentlich verabscheute Jair den Geschmack des Schnapses, von dem er jedes Mal heftigen Brechreiz bekam, wenn er es wagte, sich verstohlen einen Schluck aus der Flasche zu genehmigen. Aber wenn er nach dem erfolgreich abgeschlossenen Unternehmen mit dem Karnies in der Hand zurückkäme, wäre er ein Mann, und der Schnaps würde ihm schmecken wie den anderen Männern, da war er sich völlig sicher.
    Zwi Markowitz ließ den Sauerkleestängel fallen und versank ebenfalls in Grübeleien. Der Gedanke an die Wüstendurchquerung jagte ihm einen kalten Schauder über den Rücken. Er erinnerte sich sehr gut an den Hustenanfall, den er beim Ausflug der Dorfjugend in die Berge von Eilat erlitten hatte, verursacht durch den Staub des Weges und den ungestümen Versuch, als Erster den Gipfel zu erklimmen und Naama von dort zuzuwinken. Doch sosehr ihn der Gedanke an die Expedition auch erschreckte – darauf verzichten kam ihm noch schrecklicher vor. Denn Naama und Jair würden auch ohne ihn aufbrechen, der verträumte Blick auf ihren Gesichtern ließ keinen Raum für Zweifel. Wenn er nicht mitkam, würden sie ohne ihn losziehen, und er bliebe allein in der Moschawa, mit seinem Vater und seiner Mutter und den Erdbeerpflanzen. Naamas Hand würde immer ferner rücken, auch nach ihrer Rückkehr würde sie ihn nicht ihre Hand halten lassen. Warum sollte ein Mädchen, das solche Abenteuer durchgestanden hatte, denn die Hand eines ängstlichen Jungen halten wollen? Jetzt wusste er, dass er nicht zögern durfte. Er musste mitgehen.
    An jenem Tag verließen sie das zerstörte Dorf lange vor Sonnenuntergang. Aufrecht verließen sie es, gelassenen Schrittes, als hätten sie sich niemals mit ausgeklügelten Manövern aus seinen Mauern zurückgezogen. Als sie durchs Wadi marschierten, drehte Zwi sich um zu der Kaktushecke, die von orangefarbenen Früchten gesprenkelt war. Sie würden dunkelorange werden, dachte er, dunkelorange und dann rot und dann faul, weil keiner mehr herkommen würde, um sie zu essen. Jenseits der Hecke starrten ihn die Häuser des Dorfes durch die Fensterhöhlen und die eingeschlagenen Türen an. Und einen Augenblick dachte er, die vertraute, kindische Angst würde ihn wieder packen. Doch das zerstörte Dorf ängstigte ihn nicht mehr. Im Gegenteil, fast sehnte er sich danach. Zwi Markowitz wandte sich von dem verlassenen Dorf wieder dem Schlängelpfad im Wadi zu und wusste, dass er kein Kind mehr war.

5
    E ines Morgens stellten Jakob Markowitz und Bella nach dem Aufstehen fest, dass ihr Sohn weg war. Am selben Morgen fand auch Seev Feinberg die Betten seiner Kinder leer vor. Bis in die Abendstunden nahmen Jakob Markowitz und Bella an, der Junge sei bei seinen Freunden. Seev Feinberg dachte genau dasselbe. Erst, als Bella bei Feinbergs ankam und sich beklagte, das Abendessen würde kalt, erkannten sie alle ihren Irrtum. »Vielleicht sind sie nach Tel Aviv getürmt, um Sonia bei der Arbeit zu besuchen?«, meinte Jakob Markowitz. »Ohne jemanden zu benachrichtigen?!«, brauste Bella auf. »Gewiss haben sie gedacht, sie würden es noch am selben Tag zurückschaffen«, sagte Feinberg. »Sonia hat sie sicher schon ordentlich zusammengestaucht.« Aber als Sonia im Büro endlich das Telefon abnahm, hielt sie das Ganze

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